“Von Buenos Aires bis Rom, Papst Franziskus wollte, dass die Kirche Freude und Hoffnung zu den Ärmsten bringt.” Mit diesen Worten nahm der französische Präsident Emmanuel Macron auf X Abschied von Papst Franziskus. Darunter ein Foto, das seine Frau und ihn mit dem Papst zeigt. Ähnlich machten es viele andere Persönlichkeiten und Privatpersonen – nach dem Tod des Papstes wurden in den sozialen Netzwerken tausende derartiger Posts geteilt.
From Buenos Aires to Rome, Pope Francis wanted the Church to bring joy and hope to the poorest. To unite people with one another and with nature. May this hope be reborn endlessly beyond him.
To all Catholics, to a grieving world, my wife and I send our thoughts. pic.twitter.com/UTmNxC1r4V
— Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) April 21, 2025
Viele, die den Papst persönlich getroffen haben, posteten ein gemeinsames Bild und ihre Erinnerungen an die Begegnung. Andere teilten Fotos und Videos aus den vergangenen Jahren, von Momenten, die sie selbst als besonders empfunden haben: etwa von einem kleinen Jungen, der den Papst einst fragte, ob sein atheistischer Papa in den Himmel kommen werde. Diese Posts treffen offenbar einen Nerv. Sie zeigen: Die Trauer ist öffentlich, aber zugleich persönlich. Global, aber individuell.
Soziale Medien haben Trauer verändert
Die evangelische Theologieprofessorin aus Würzburg hat in den vergangenen Jahren viel zu Tod und Trauer im Internet geforscht. “Die Beziehung zu prominenten Personen kann durch das Internet heute viel persönlicher gestaltet werden”, ist ihre Erfahrung. Viel mehr Menschen könnten so außerdem öffentlich trauern und würden in ihrer Trauer von anderen gesehen – obwohl sie die verstorbene Person vielleicht nie persönlich getroffen hätten.
Gemeinsam trauern zu wollen sei etwas zutiefst Menschliches, sagt die Forscherin. Das geschehe im Internet ebenso wie bei einer Beisetzung auf dem Friedhof. Die sozialen Netzwerke erhöhten aber die Sichtbarkeit der Trauer, wenn Posts geteilt und kommentiert würden. Nicht nur bei verstorbenen Prominenten, sondern etwa auch in Gruppen und Foren, in denen Trauernde sich über den Verlust nahestehender Menschen austauschten und einander Trost spendeten. So entstehe eine Möglichkeit, ein menschliches Bedürfnis einfach in die Tat umzusetzen.
Online-Trauer: Emojis statt Trauerkarten
Dabei sieht die Forscherin durchaus Parallelen zwischen Begräbnisritualen und Online-Trauer. In beiden Fällen bedienten sich die Menschen standardisierter Formen, um ihre Trauer auszudrücken: Auf dem Friedhof seien das in der christlichen Kultur etwa Blumen oder der Erdwurf am Grab, im Internet geschehe es beispielsweise durch die Verwendung von Emojis. Dennoch gebe es einen großen Unterschied: “Die Art, wie wir früher getrauert haben, hatte vielleicht den Vorteil, dass sie einem bestimmten Ritus folgte.”
Natürlich habe jede Variante des Trauerns Vor- und Nachteile, betont Nord. Dennoch: Früher habe es eine festgesetzte Zeit der Trauer gegeben; Traueranzeigen und Beerdigungsgottesdienste seien vorbereitet worden. “Aber nach der Bestattung war eine Art rituelle Ruhephase erreicht, eine Zäsur.” Diese gebe es heute nicht mehr so. Das sehe man auch am Beispiel des Papstes: “Wir bekommen im Internet und den sozialen Medien permanent Vorschläge, uns anzuschauen, was der Papst hier und da noch gemacht hat.” Diese Dynamik widerspreche dem rituellen Muster, Abstand zu nehmen – auch, um den eigenen Trauerprozess abzuschließen.
Trauer vollzieht sich heute wie selbstverständlich im Digitalen
Was ebenfalls auffällt: Rund um den Tod des Papstes können Menschen weltweit fast alles mitverfolgen. Schon die Vermeldung des Todes geschah im Livestream des Vatikans, ebenso wie die Aufbahrung im Petersdom und das Begräbnis. Ähnlich war es bei anderen Prominenten, etwa Queen Elizabeth im Jahr 2022. “Es verändert etwas, dass ich diesen Weg nachvollziehen kann”, sagt Nord. “Es hilft zu realisieren, dass wirklich ein Mensch von uns gegangen ist.” Denn Rituale sollten ermöglichen, eine Veränderung in der Realität persönlich zu verarbeiten.
Natürlich habe dies vor Ort noch einmal eine andere Qualität, betont die Expertin. “Aber die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass eine Live-Übertragung einer Trauerfeier für Angehörige, die nicht dabei sein konnten, besser war, als wenn man gar nicht hätte teilnehmen können.” Das helfe ebenfalls bei der Verarbeitung.