SCHWERTE-VILLIGST – Der Magdeburger Rechtsextremismus-Experte David Begrich rät den Kirchen zu einem differenzierten Umgang mit der AfD. Mit den „Ideologieproduzenten“ der Partei sollten sich Kirchenvertreter nicht in einen öffentlichen Diskurs begeben, um keine Plattform für deren Parolen zu bieten, sagte Begrich auf einer Konferenz der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) in Schwerte zum Thema „Umgang der Kirche mit Rechtspopulismus“. Mit Anhängern und Sympathisanten rechtspopulistischer Parteien könnten dagegen inhaltliche Auseinandersetzungen geführt werden.
Ideologisch geprägte Funktionäre und Spitzenvertreter der AfD wie der Thüringer Parteivorsitzende Björn Höcke hätten kein Interesse am Dialog und instrumentalisierten ihre Gesprächspartner, warnte Begrich: „Die wollen missionieren und nicht diskutieren.“ So verfolge Höcke eine „Eskalationsstrategie“, die darauf abziele, politische Gegner durch sprachliche und inhaltliche Provokationen zum Schweigen zu bringen.
AfD-Politiker zum Kirchentag einladen
Entscheidend für das Abwägen, ob man mit Rechtspopulisten in einen öffentlichen Dialog trete, sei die Frage nach der eigenen Zielsetzung und den konkreten Umständen eines Gesprächs: „Wann rede ich mit wem wo in welchen Sprechräumen“, so Begrich. So könne es nach Auffassung des Experten durchaus sinnvoll sein, etwa die AfD-Sprecherin Frauke Petry zu einer Diskussion auf den Kirchentag einzuladen, wenn klar sei, dass das Publikum dort die Gelegenheit nutze, kritische Fragen an die AfD zu stellen. „Frau Petry wird eine solche Diskussion nicht als Siegerin verlassen müssen“, so Begrich.
Der „völkische Flügel in der AfD“ führe einen „Kulturkampf um Begriffe, Symbole und Rituale“, sagte der Mitarbeiter des gemeinnützigen Vereins „Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt“. Einer „Darlegung eines menschenfeindlichen Weltbildes“ dürfe möglichst kein Raum gegeben werden.
Im Umgang mit Menschen, die sich von der etablierten Politik nicht genug wahrgenommen fühlten und deshalb zur AfD neigten, könne die Kirche dagegen ihre Stärken ausspielen, sagte Begrich: Sie könne das Gespräch suchen und den Rahmen für Dialoge bieten, als Hörende und Fragende auftreten und öffentliche Debatten etwa über die Ansiedlung von Flüchtlingen moderieren. Unbedingt, so betonte Begrich, müsse die Kirche zu Menschen stehen, die sich öffentlich gegen menschenfeindliche Parolen positionierten und aus diesem Grund bedroht würden.
Abwägen je nach Situation im Umgang mit Anhängern des Rechtspopulismus – dafür plädierten auch die Vertreterinnen und Vertreter von Ämtern und Werken der EKvW, die sich in Villigst getroffen hatten. In Gesprächen und Arbeitsgruppen ging es um Strategien für die Kirche. Dabei wurde deutlich, dass es eine große Bandbreite von möglichen Reaktionen auf rassistische oder menschenverachtende Äußerungen im Raum der Kirche gibt. So plädierte die Leiterin einer Offenen-Tür-Jugendarbeit dafür, jugendlichen Sympathisanten von Rechtsradikalen Hausverbot zu erteilen. Andere berichteten von ihren Erfahrungen mit öffentlichem Widerspruch gegen Gemeindeglieder, die Hassparolen verbreiteten. Und das Bewusstmachen eigener, zum Teil unbewusst rassistischer Haltungen könnte ebenso eine Strategie sein wie das verstärkte Bemühen um Bildung und Erziehung zur Toleranz.
epd/leg