Was haben ein Panzer auf einem Parkplatz in La Roche-en-Ardenne, eine Kirche in Sankt Vith und ein Militärmuseum in Diekirch gemeinsam? Sie alle erinnern an Deutschlands letzte Großoffensive im Zweiten Weltkrieg.
Schmackhafter Schinken, köstliches Bier; dazu jahrhundertealte Klöster und Burgen, tief eingeschnittene Flusstäler und waldreiche Höhenzüge. Die Ardennen in Luxemburg und Belgien sind eine beliebte Ferienregion. Und doch taucht da immer wieder etwas auf, was die Idylle stört.
Da wäre etwa das Nationale Militärgeschichtliche Museum im luxemburgischen Diekirch, dessen Magazine sich bis heute mit Granaten, Patronenhülsen und anderen Relikten aus dem Zweiten Weltkrieg füllen. Da wäre die Pfarrkirche von Sankt Vith in Belgien, die seit Ende der 50er-Jahre das Ortsbild anstelle eines im Krieg zerstörten Vorgängerbaus dominiert. Und da ist ein US-amerikanischer Sherman-Panzer, der als Dauerparker am Rand der Altstadt von La Roche-en-Ardenne steht.
Das Museum, die Kirche und der Panzer: Sie sind stumme Zeugen der letzten Großoffensive Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, die vor genau 80 Jahren begann. “Ihr fühlt es alle: Es geht ums Ganze!”, ließ der Oberbefehlshaber West, Gerd von Rundstedt, seinen Soldaten am 15. Dezember 1944 ausrichten. Tags darauf, um 5.30 Uhr morgens ging die Wehrmacht mit einem Artillerie-Trommelfeuer gegen die US-amerikanischen und britischen Stellungen in den Ardennen zum Angriff über.
Mit einem überraschenden Coup wollte Adolf Hitler einen Keil zwischen die Truppen der westlichen Alliierten treiben und die strategisch wichtige belgische Hafenstadt Antwerpen zurückerobern. “Die Karte, die hier ausgespielt werden sollte, war ein rascher und entschiedener militärischer Angriff, mit dem man den Westalliierten einen derart mächtigen Schlag versetzen wollte, dass ihnen die Lust an der Fortsetzung des Kampfes vergehen würde”, fasst der britische Historiker Ian Kershaw das Kalkül von Hitler und seinen Generälen zusammen.
Rund 200.000 Soldaten warteten auf das Signal zum Losschlagen; Hunderte Panzer und 1.600 schwere Geschütze standen für die erste Welle bereit. Um einen aus Sicht des NS-Regimes erfolgreichen Auftakt der “Operation Herbstnebel” zu bewerkstelligen, waren zwei Faktoren entscheidend: strikte Geheimhaltung und schlechtes Wetter. Mitte Dezember hingen die Wolken über den Ardennen tief genug, so dass die Flugzeuge der Amerikaner und Briten am Boden bleiben mussten.
In teils knietiefem Schnee schlugen die Deutschen zunächst eine Schneise von 65 Kilometern Breite und 90 Kilometern Tiefe zwischen Malmédy und Bastogne in die gegnerischen Stellungen – freilich ohne den Verkehrsknotenpunkt Bastogne einnehmen zu können. Diese Ausbuchtung gab der Offensive ihren englischen Namen: “Battle of the Bulge”. Die Alliierten wankten. Aber sie fielen nicht.
Am 23. Dezember wandte sich US-General George S. Patton in einem Gebet an den Allerhöchsten. “Du musst mir zu Hilfe kommen, damit ich deinem Friedensfürsten die gesamte deutsche Armee als Geburtstagsgeschenk übergeben kann.” In Deutschland notierte Joseph Goebbels am 24. Dezember: “In Berlin wird am Abend die gesamte Weihnachts-Schnapszuteilung verkonsumiert.” Das Volk sei “auf das tiefste beglückt darüber, dass wir militärisch wieder die Initiative an uns gerissen haben”, frohlockte der Propagandaminister.
Doch schnell erwies sich die Ardennenoffensive als Strohfeuer. Am 28. Januar 1945 konnten Amerikaner und Briten die Delle, “the bulge”, in ihrer Frontlinie wieder begradigen. Die Verluste – Tote, Verwundete, Vermisste und Gefangene – auf beiden Seiten: enorm. Die Deutschen verloren 98.024 Soldaten, darunter mehr als 12.000 Gefallene, bei den Alliierten waren es 80.987 Soldaten, darunter 10.276 Gefallene, wie der britische Historiker Andrew Roberts vorrechnet. Trotzdem hätten die Alliierten die Verluste an Menschen und Material ausgleichen können. Auf deutscher Seite sei das nicht mehr möglich gewesen, so Roberts.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs rückte definitiv näher. “Der Kraut hat seinen Kopf in einen Fleischwolf gesteckt”, gab sich US-General Patton schon während der Ardennenoffensive siegesgewiss: “Und dieses Mal habe ich die Kurbel in der Hand.” Nicht nur für die Soldaten, auch für die Zivilbevölkerung brachten die Kämpfe Tod, Leid – und Zerstörung. In Sankt Vith sollen nur neun Gebäude unversehrt geblieben sein.