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Von der Leyen in Aachen mit Karlspreis ausgezeichnet

Kaiser Karl der Große wird gern als Taufpate des modernen Europas bemüht. Nach ihm ist der wohl wichtigste europäische Preis benannt. Am Donnerstag wurde Ursula von der Leyen ausgezeichnet.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) ist am Donnerstag in Aachen mit dem Internationalen Karlspreis ausgezeichnet worden. Sie sei eine starke Stimme Europas und habe pro-europäische Kräfte in den EU-Mitgliedsstaaten und im EU-Parlament zusammengeführt, hieß es zur Begründung. Darüber hinaus habe sie große Verdienste bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, beim geschlossenen Auftreten gegenüber Russland und beim “Green Deal” für Europas Klimaneutralität erworben.

Von der Leyen steht seit 2019 als erste Frau an der Spitze der EU-Kommission. Zuvor war die CDU-Politikerin Bundesverteidigungs- sowie Bundesfamilienministerin in der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte in seiner Festrede im Krönungssaal des Aachener Rathauses, von der Leyen sei eine herausragende Führungspersönlichkeit: “Henry Kissinger würde heute ganz sicher nicht mehr sagen müssen, dass er nicht weiß, wen er anrufen soll, um mit Europa zu sprechen. Er würde Ursula von der Leyen anrufen – als die starke Vertreterin eines starken Europas.”

Merz ergänzte, die Idee von gemeinsamen europäischen Werten habe in der Gegenwart neue Aktualität erhalten. Europa habe aus leidvoller Erfahrung gelernt, dass Freiheit und Demokratie es wert seien, “dass wir entschlossen für sie einstehen und wenn notwendig für ihren Erhalt kämpfen”. Der Kontinent habe schmerzhaft erfahren, dass Macht an Recht und Gesetz gebunden sein müsse, sonst drohe Tyrannei.

Der Bundeskanzler versicherte der Ukraine, sie mit aller Kraft gegen eine Eroberung durch Russland zu unterstützen – “militärisch, aber auch politisch und wirtschaftlich”. Er warf Russland vor, eine “vollständige Unterwerfung” der Ukraine anzustreben. Dies werde man nicht zulassen.

Von der Leyen verwies in ihrer Dankesrede auf gewaltige geopolitische Spannungen. Es sei an der Zeit, dass Europa erneut aufstehe. “Die nächste große Ära, unser nächstes großes, einendes Projekt muss von einem unabhängigen Europa handeln.” Zentral seien eine bessere Verteidigungs- und Wettbewerbsfähigkeit, eine Erweiterung der Europäischen Union um beitrittswillige Staaten wie die Ukraine, Moldau oder Länder des Westbalkans sowie die Stärkung der Demokratie.

Der spanische König Felipe VI. forderte eine noch engege Zusammenarbeit. Man müsse die gefährlichen Stimmen zurückweisen, die erklärten, dass die Europäer freier, unabhängiger und souveräner seien, wenn sie national getrennt lebten.

Vor dem Festakt hatte es einen Gottesdienst im Aachener Dom gegeben. In seiner Predigt sagte Aachens katholischer Bischof Helmut Dieser, die EU-Kommissionspräsidentin zeige Willenskraft, Mut und Klugheit. Zugleich rief Dieser laut vorab veröffentlichtem Predigttext dazu auf, sich für die Freilassung der in Belarus inhaftierten Karlspreisträgerin von 2022, Maria Kalesnikova, einzusetzen. Europa sei an jeder Krise gewachsen, betonte der Bischof. Dazu sei es deshalb fähig, weil es die christliche Gestalt von Vergemeinschaftung, von Einheit und Vielfalt, eingeübt habe.

Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER), Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, erklärte, Europa brauche derzeit Führung mit Rückgrat – und genau dafür stehe von der Leyen. “Ihr klares Bekenntnis zum Schutz jüdischen Lebens, zu den Grundwerten unserer pluralistischen Gesellschaften und zur Verteidigung unserer freiheitlichen Ordnung ist ein Licht in dunkler werdenden Zeiten”, sagte Goldtschmidt, der den Preis im vergangenen Jahr erhalten hatte.

Der Karlspreis wird seit 75 Jahren in Aachen verliehen. Im Jubiläumsjahr halten zwei hochrangige Gäste eine Festrede auf die neue Preis-Trägerin: Spaniens König Felipe VI. und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Vor dem Festakt findet ein Gottesdienst im Aachener Dom statt.

Zu den bisherigen Preisträgern gehören Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) 1954 und ein Jahr später der ehemalige britische Premierminister Winston Churchill. Der letzte Deutsche, der mit dem Karlspreis geehrt wurde, war 2015 Martin Schulz (SPD), damals Präsident des Europäischen Parlaments.