Sie ist die “tolle Knolle” – Kartoffeln erfreuen sich in Deutschland nach wie vor großer Beliebtheit. Zuletzt nahm der Pro-Kopf-Verbrauch wieder deutlich zu. Dabei startete der Siegeszug der Knolle in Europa schleppend.
Pommes oder Reibekuchen auf dem Weihnachtsmarkt, Kartoffelknödel mit Rotkohl und Gänsebraten zu Sankt Martin oder die deftigen Kartoffel-Topfkuchen aus Reibekuchenteig, die vor allem im Rheinland und Westfalen für reichlich Kalorienzufuhr sorgen: Kartoffelgerichte sind im Spätherbst und in der Weihnachtszeit vom Speiseplan der Bundesbürger kaum wegzudenken.
Offenbar aber nicht nur in den dunklen Tagen: Denn die Deutschen haben im vergangenen Jahr insgesamt wieder deutlich mehr der vielseitigen Knollen gegessen. Wie das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft in Bonn am Donnerstag mitteilte, verzehrten die Menschen hierzulande im Wirtschaftsjahr 2023/2024 insgesamt 63,5 Kilogramm pro Kopf, knapp acht Kilo mehr als im Vorjahr. Es handle sich um den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch seit zwölf Jahren.
Dabei unterscheidet die Statistik noch genauer: Demnach stieg der Verbrauch von Speisefrischkartoffeln um 8,4 Kilogramm auf 25,5 Kilogramm pro Kopf, während bei den – unter anderem zu Pommes und Chips – verarbeiteten Kartoffeln ein leichtes Minus von 500 Gramm auf 38 Kilogramm pro Kopf zu verzeichnen ist. Auch die Kartoffelernte fiel trotz schwieriger Wetterbedingungen gut aus. Deutsche Landwirtinnen und Landwirte ernteten demnach auf 264.700 Hektar rund 11,6 Millionen Tonnen Kartoffeln. Der Selbstversorgergrad lag bei 153 Prozent. Deutschland gehört damit zu den größten Kartoffelerzeugern der Welt und war 2023 mit einem Anteil von 24 Prozent in der EU führend.
Von Grumbeere bis Erdapfel und Tüffel: Fast jede Region in Deutschland hat ihre eigene Bezeichnung für die nahrhafte Knolle. Über Jahrhunderte hat die Kartoffel in Europa maßgeblich zur Ernährungssicherheit beigetragen, auch als Futtermittel. Auch weltweit gehört das Nachtschattengewächs nach Reis, Weizen und Mais zu den zentralen Säulen der Ernährung. Und die Bedeutung nimmt zu, weil der Nährwert hoch und der Wasserverbrauch beim Anbau gering ist. Im Schnitt benötigt man 1.400 Liter Wasser für ein Kilo Weizen, 2.500 Liter für ein Kilo Reis und fast 17.000 Liter Wasser für ein Kilo Rindfleisch. Für Kartoffeln sind es dagegen nur 130 Liter Wasser.
Lange war umstritten, woher die Kartoffel eigentlich kommt: aus Chile oder aus den Anden Perus? Eine 2019 veröffentlichte Genanalyse der Tübinger Entwicklungsbiologen Hernan Burbano und Rafal Gutaker zeigte: Beide Lager haben Recht. Erstmals auf dem europäischen Festland ist die Kartoffel im späten 16. Jahrhundert in Spanien belegt. Spanische Seefahrer brauchten diese Knollen aus den Anden Perus mit. Zunächst entwickelten sie nur im Spätherbst die nahrhaften Knollen, da sie sich über viele Generationen hinweg an kurze Tageslängen angepasst hatten. Das änderte sich erst mit dem Einkreuzen chilenischer Sorten Anfang des 19. Jahrhunderts. Die moderne Kartoffel entstand.
Das ist allerdings noch nicht das Ende der Geschichte: Denn zwischen 1846 und 1891 erlebten die Ursprungssorten aus den Anden wieder eine Renaissance. Der Grund: die Kraut- und Knollenfäule und die damit einhergehende große Hungersnot in Irland zwischen 1845 und 1847. Hunderttausende starben, weil die einzige dort verbreitete Kartoffelsorte nicht resistent gegen Knollenfäule war. Die Wissenschaftler vermuten deshalb, dass Bauern in dieser Zeit wieder auf die alten Sorten zurückgegriffen haben.
In Deutschland musste sich die Knolle gegen viele Widerstände durchsetzen. Schon im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) gelangte sie über die Niederlande nach Franken. Da die Menschen zuerst die giftigen Beeren probierten, wurde sie als Teufelskraut verschrien. 1746 erließ dann Preußenkönig Friedrich II. angesichts einer Hungersnot den ersten seiner “Kartoffelbefehle”: Seine Bauern mussten fortan einen Teil ihrer Felder mit Kartoffeln bepflanzen.
Seitdem gilt der Alte Fritz als Pate der Kartoffel. Der Komiker Heinz Erhardt setzte ihm ein literarisches Denkmal: “Vom alten Fritz, dem Preußenkönig, weiß man zwar viel, doch viel zu wenig”, reimte er. “So ist es zum Beispiel nicht bekannt, dass er die Bratkartoffel erfand! Drum heißen sie auch – das ist kein Witz – Pommes Fritz!”