Eine rote Turnhose dokumentiert die Verehrung für Ernst Thälmann in der DDR: Das Kleidungsstück des von den Nationalsozialisten ermordeten KPD-Vorsitzenden gelangte 1962 zusammen mit fünf seiner Krawatten in das damalige Museum für Deutsche Geschichte in Ost-Berlin. Dessen Bestände gehören seit der deutschen Wiedervereinigung zum Deutschen Historischen Museum in Berlin.
80 Jahre ist es her, dass die Nazis ihn am 18. August 1944 im KZ Buchenwald erschossen. Doch das Gedenken an den Stalin-treuen Thälmann erregt immer noch die Gemüter. Das zeigt sich exemplarisch am Thälmann-Denkmal im Berliner Viertel Prenzlauer Berg: Eine 14 Meter hohe und 15 Meter breite Büste zeigt ihn mit kämpferisch geballter Faust. Errichtet wurde sie zu DDR-Zeiten, 1986. Jahrelang gab es Streit um das Denkmal, jetzt stehen daneben vier Informationstafeln zur historischen Einordnung.
Die Texte auf drei Tafeln sind allerdings mit roter Farbe sowie Hammer und Sichel als Symbol des Kommunismus unleserlich gemacht. Auf dem Denkmal stehen immer wieder Worte in Riesenlettern wie „Held“ oder Slogans wie „Free Gaza“. Maßstabgerecht verkleinerte Betonsockel vor dem Bronzedenkmal sollen außerdem einen künstlerischen Kommentar mit Sätzen wie „Ich sehe was“ bieten. Die ursprünglich orangefarbenen Quader sind mit Graffiti bedeckt.
Thälmann, KPD-Vorsitzender zu Zeiten der Weimarer Republik, war ein Held in der DDR. Die Verehrung hatte der SED-Staat quasi angeordnet und seine Kinderorganisation nach ihm benannt. Für Herfried Münkler war Thälmann die „Identifikationsfigur Nummer Eins der DDR“ und der wichtigste Märtyrer des Sozialismus. Der Politikwissenschaftler verweist in einem Aufsatz auf ein an kirchlich-liturgischen Vorbildern orientiertes Gelöbnis der „Thälmannpioniere“: Generationen von ostdeutschen Kindern mussten ab der vierten Schulklasse geloben, „zu lernen, zu arbeiten und zu kämpfen, wie es Ernst Thälmann lehrt“.
Bernt Roder arbeitet für die Denkmalkommission des Berliner Bezirks Pankow, die für das heute so umstrittene Thälmann-Denkmal zuständig ist. Er sagt: Man müsse zwischen Thälmanns realer Biografie und einer „mythisch aufgeladenen Person“ unterscheiden. Thälmann sei kein Beispiel des antifaschistischen Widerstandskampfes gewesen, er sei bereits 1933 verhaftet worden. Bis dahin sei er ein „willfähriger Handlanger der Stalin’schen Politik“ gewesen. Der Bezirk wolle zum Gespräch über die „widersprüchliche Biografie“ Thälmanns anregen. Dafür müssten andere Formen gefunden werden, sagt er unter Hinweis auf die Schmierereien am Denkmal.
In zahlreichen Dörfern in Ostdeutschland gebe es im Übrigen weiterhin Thälmann-Straßen, sagt Roder. Dort werde der einstige KPD-Chef noch heute vielfach als Opfer des Nationalsozialismus verehrt. Auch die Gedenkstätte in Thälmanns Geburtsstadt Hamburg würdigt ihn als Vorbild vieler von den Nationalsozialisten verfolgen Widerstandskämpfer.
Der am 16. April 1886 geborene Sohn eines einstigen Kutschers und dessen Ehefrau arbeitete als Schüler im Gemischtwarengeschäft seiner Eltern. Seine Freunde sollen ihn „Teddy“ genannt haben. Als Hafen- und Werftarbeiter trat er 1903 in die SPD ein und betätigte sich als Gewerkschafter. Er war Heizer auf einem Dampfschiff der Nordamerika-Route, Speicherarbeiter und Kutscher in Hamburg.
Zum Ende des Ersten Weltkriegs trat Thälmann 1918 in die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) ein, die aus dem Protest einiger SPD-Abgeordneter gegen die Bewilligung weiterer Kriegskredite entstanden war. Nach seiner Wahl in die Hamburger Bürgerschaft schloss er sich 1920 mit Teilen der USPD der KPD an und nahm 1923 am Hamburger Aufstand für die Bildung einer Räterepublik in Hamburg teil, der von der Polizei niedergeschlagen wurde.
Im Jahr darauf wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der KPD und Mitglied des Reichstags gewählt. Bei der Reichspräsidentenwahl von 1925 erhielt Thälmann als KPD-Kandidat im zweiten Wahlgang 6,4 Prozent der Stimmen.
Mit ausdrücklicher Billigung des Sowjet-Diktators Josef Stalin (1878 oder 1879 -1953) übernahm er im selben Jahr den KPD-Parteivorsitz. Wegen der sogenannten Wittorf-Affäre musste Thälmann 1928 seine Parteiämter ruhen lassen: Er habe Unterschlagungen seines Freundes und Parteisekretärs John Wittorf vertuscht, lautete der Vorwurf. Wenige Monate später setzte man ihn auf Betreiben von Stalin wieder in seine Parteiämter ein.