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Vom Kloster in die weite Musikwelt

In der Dauerausstellung von Geigen und Lauten im Museum der Stadt Füssen in den Klosterräumen von St. Mang taucht man ein in eine mittelalterliche Welt, die man in mediterranen Gefilden vermuten würde. Dort findet man Nachbauten und einige wenige erhaltene Originale von kunstvoll gearbeiteten Instrumenten, die vor 500 Jahren der Exportschlager der kleinen Stadt am Lech waren. Darunter als ältestes Stück, eine Laute von Wolfgang Wolf aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, die vom bayerischen Heimatministerium in die Reihe der „100 Heimatschätze Bayerns“ aufgenommen wurde.

In Füssen wurde 1562 sogar die erste Lautenbauerzunft Europas gegründet. „Ein Zeichen dafür, dass das Handwerk und die Vermarktung organisiert werden mussten“, sagt Kulturamtsleiterin Karina Hager. Denn auf circa 2.000 Einwohner kamen damals schon etwa zwanzig Lautenbauer, die freilich nicht alle vor Ort Arbeit fanden und daher tatsächlich nach Italien weiterzogen. Oder nach Wien, wie Franz Geißenhof, der für seine hohe Kunst den Beinamen „Wiener Stradivari“ erhielt.

„Kenner lesen die Füssener Handschrift aus einem Instrument sofort heraus“, weiß Hager. Erkennbar sei diese beispielsweise an einem besonderen Schwung im Bau, auf den sich die Betriebe der Stadt geeinigt hatten, weil dieser den besten Klang hervorbrächte.

In den heute für den Lauten- und Geigenbau bekannten Städten Venedig oder Padua waren noch im 17. Jahrhundert zwei Drittel aller Lautenbauer Füssener Abstammung. Dass sich diese Tradition ausbilden konnte, hat einerseits mit dem reichen Vorrat an Hölzern rund um Füssen und der Lage am Fluss zu tun. Dass Eibe und Fichte, die sich hervorragend zum Instrumentenbau eignen, in den hohen Lagen rund um Füssen entsprechend gut wachsen, begünstige das Aufkommen dieses neuen Industriezweiges. Zum anderen hatte das Kloster St. Mang bereits 1417 auf dem Konstanzer Konzil Rechte verliehen bekommen und spielte nun im europäischen Austausch der Klöster eine größere Rolle.

„Es fanden viele Tagungen und Treffen in Füssen statt, und die Gäste mussten eben unterhalten werden“, erklärt Hager. Nicht zuletzt residierte Kaiser Maximilian I. öfter mit seinem Hofstaat in Füssen. „Der sah es als großen Vorteil, dass es hier Instrumentenbauer gab.“ Durch die Stadt führte zudem die Via Claudia Augusta von Augsburg nach Venedig als wichtige Handelsstraße.

Die goldenen Zeiten der Musikstadt Füssen ging mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert schlagartig zu Ende. Nahezu hundert Jahre lang wurde in Füssen kein Instrument mehr gebaut. Heute findet man aber wieder fünf Geigen- und einen Zupfinstrumentenbauer in der Stadt. Einer von ihnen ist Oliver Radke, der seine Werkstatt mitten in Füssen betreibt und die Regionalität schätzt. „Ich schaue mir im Wald frisch abgesägte Bäume an und wähle dann aus, ob ich dieses Holz verwenden will“, erzählt er.

An einem Stück Fichte zeigt er, worauf es ankommt: „Das Holz ist gerade gewachsen, ohne Schwung in der Faserung, die Jahresringe sind sehr fein und gleichwüchsig ausgebildet“, beschreibt Radke einige Qualitätskriterien. Das Holz sei druckstabil für die Saitenspannung, aber dennoch geschmeidig genug, dass sich ein Ton gleichmäßig bewegen könne. „Das ist fast die halbe Miete.“ Seine Füssener Mitstreiter und er verkaufen ihre Instrumente ausschließlich für Profis, da der preiswerte Markt komplett von Herstellern aus Osteuropa und China abgedeckt wird.

Radke lässt sich ebenso wie seine Füssener Kollegen und Instrumentenbauer aus dem italienischen Cremona bei der Reihe „Treffpunkt Geigenbau“ vom 28. August bis 1. September über die Schulter schauen. Sie ist Teil des 22. Füssener Kammermusikfestivals „vielsaitig“ vom 28. August bis 4. September. Acht Konzerte finden im barocken Kaisersaal sowie der Orangerie des ehemaligen Benediktinerkloster St. Mang statt.

Die 22. Ausgabe des Musikfestivals steht unter dem Motto „Inspiration“. Der künstlerische Leiter Julian Steckel hat unter anderem die Geigerin Antje Weithaas und die junge Pianistin Kivelli Dörken, die Starklarinettistin Sharon Kam und das Aris Quartett eingeladen. Füssen sei als „Wiege des Lauten- und Geigenbaus“ prädestiniert, den Wurzeln nachzuspüren, wodurch die vielseitige Musiklandschaft der Welt inspiriert sei, heißt es in der Ankündigung. (00/2482/19.08.2024)