Ein diplomatisches Dilemma: Sollte Israels Regierungschef wirklich nach Deutschland kommen, müsste er festgenommen werden, sonst wäre es Völkerrechtsbruch, warnen mehrere Juristen. Gleiches Recht für alle – auch Putin.
Ein möglicher Deutschlandbesuch von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu könnte aus Sicht von Völkerrechtlern einen empfindlichen Rechtsbruch nach sich ziehen. “Eine Einladung Netanjahus nach Deutschland unter Zusicherung von Immunität verstieße gegen das Völkerrecht und gegen deutsches Recht”, heißt es in einer Erklärung von insgesamt 77 deutschen Hochschuldozentinnen und -dozenten, der am Donnerstag auf dem Blog Einspruch der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” veröffentlicht wurde.
Die Völkerrechtler äußern sich vor dem Hintergrund eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Netanjahu und andere Mitglieder der israelischen Regierung. Die Juristen in Den Haag ermitteln wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen. Zuletzt hatte der CDU-Chef und designierte Bundeskanzler Friedrich Merz Israels Regierungschef einen Besuch in Deutschland in Aussicht gestellt, ohne, dass er festgenommen würde.
Die Juristen argumentieren in ihrer Erklärung hingegen, dass Deutschland sich zur Mitwirkung an internationalen Instituten wie dem IStGH verpflichtet habe und müsse folglich dessen Haftbefehle beachten und ausführen müsse. “Das schließt den russischen Präsidenten Wladimir Putin ein, aber auch den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, und zwar ungeachtet dessen, ob wir einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs inhaltlich richtig finden und ungeachtet unserer Einschätzungen der Reichweite persönlicher Immunität.”
Auch andere Positionen in Deutschland zum Krieg in Nahost sehen die Juristen kritisch. So müsse die Bundesregierung dringend auf die Rechtswidrigkeit der israelischen Besatzung im Gazastreifen hinweisen sowie vor dem Internationalen Gerichtshof ihre Zusicherung betonen, “dass keine Waffen an Israel geliefert werden, die völkerrechtswidrig zum Einsatz kommen”.
Deutschland habe schon auf Grund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung, das Völkerrecht zu schützen und zu fördern, heißt es. “Daher mahnen wir die Einhaltung der von der Bundesrepublik übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen an. Gerade in einer Zeit, in der das Völkerrecht von mächtigen Staaten gebrochen wird, appellieren wir eindringlich an Entscheidungsträger in Bund und Ländern, diese Errungenschaft nicht aufs Spiel zu setzen.”