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Vier Jahre Bürgerkrieg – Darum geht es in Myanmar nicht voran

Auf der Weltbühne ist er fast vergessen, doch in Myanmar herrscht seit vier Jahren Bürgerkrieg; ein Ende ist nicht absehbar. Aufmerksamkeit könnte es nun durch einen prominenten Geburtstag geben.

Fast verdrängt und doch noch da – während der eskalierende Konflikt im Nahen Osten und der Krieg in der Ukraine weiterhin die Medien weltweit beherrschen, ist es im den Bürgerkrieg in Myanmar deutlich stiller geworden. Dabei wird der Konflikt seit seinem Ausbruch in Folge des Militärputsches am 1. Februar 2021 weiterhin brutal geführt.

Dass er verhältnismäßig weniger Beachtung findet, mag einerseits an den üblichen Ermüdungserscheinungen liegen. Andererseits ist die Lage im weit entfernten Myanmar wegen zahlreicher Akteure weitaus komplexer als in anderen aktuellen Kriegsszenarien.

Auf der einen Seite stehen die Junta und das Tatmadaw genannte Militär. Auf der anderen Seite gibt es derzeit gut 25 aktive bewaffnete Widerstandsgruppen der verschiedenen ethnischen Minderheiten. Von denen kämpfen aber nur rund die Hälfte eindeutig gegen die Junta, während die anderen entweder neutral oder sogar regimetreu sind. Hinzu kommen die dezentral und ohne ein Oberkommando agierend bewaffneten Kräfte der Untergrundregierung NUG sowie eine ganze Reihe lokaler bewaffneter Gruppierungen, die mal alleine, mal zusammen mit einer größeren Widerstandsgruppe oder den NUG-Truppen kämpfen.

Dabei führen die Junta-Gegner ihren Kampf zwar durchaus erfolgreich und kontrollieren nach Schätzung von Experten bereits mindestens 60 Prozent des Landes. Was dem vielfältigen Widerstand jedoch fehlt: eine gemeinsame Vision über die Zukunft Myanmars. Daran krankt auch der Erfolg. Die befreiten Gebiete gleichen eher einem Flickenteppich, den das Militär seinerseits versucht, mit aller Gewalt zurückzuerobern.

Aus dem militärisch-politisch verworrenen Dickicht bildeten sich nun zuletzt aber zwei dominierende Kräfte heraus. Da wäre zum einen die sogenannte Arakan Armee, die inzwischen auch über ihre Ursprungsregion Rakhine Erfolge erzielt und sogar Kämpfer anderer Gruppen ausbildet. Nach Ansicht des Myanmaranalysten David Mathieson ist die Arakan Armee derzeit, die “einzige wirklich ‘nationale’ Widerstandsgruppe” mit Truppen in mehreren Teilstaaten.

Die andere Kraft ist China. Der mächtige nördliche Nachbar nutzt seine erhebliche politische, militärische und wirtschaftliche Macht für Druck auf den Widerstand. Peking versucht derzeit zur Sicherheit seiner erheblichen Investitionen im Rahmen des globalen Megaprojekts “Neue Seidenstraße” auf eine Einstellung des bewaffneten Konflikts hinzuarbeiten. “China ist der Gedanke, dass die Tatmadaw den Konflikt verlieren könnte, möglicherweise unangenehm”, sagte Mathieson der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Solange jedoch sichergestellt ist, dass in Zukunft eine funktionsfähige Regierung gebildet werden kann, könnte China dies möglicherweise in Kauf nehmen.”

Wenn auch nicht zur Lösung des Konflikts, könnte doch ein nun anstehender Geburtstag zumindest zu mehr internationaler Aufmerksamkeit für Myanmar beitragen. Am Donnerstag (19. Juni) wird die ehemalige Regierungschefin Aung San Suu Kyi 80 Jahre alt. Die Friedensnobelpreisträgerin von 1991 ist seit ihrem Sturz durch das Militär vor vier Jahren in Haft, laut unbestätigten Quellen an einem unbekannten Ort in der Hauptstadt Naypyidaw.

Aung San Suu Kyi musste sich in ihrem Leben schon mehrfach gegen das Militär behaupten. Obwohl ihr öffentliches Bild im Zuge der Vertreibung der muslimischen Rohingya deutliche Risse bekommen hat, gilt sie für viele Menschen im Land weiterhin als Ikone der Demokratiebewegung.

Doch selbst sollte es dazu kommen, dass Aung San Suu Kyi vorzeitig aus der Haft entlassen wird, könnte es für sie wirklich eine politische Zukunft geben? Experten wie Mathieson glauben nicht daran. Der “Frühlingsrevolution” genannte Widerstand gegen die Junta sei eine Revolution der jungen Generation und Aung San Suu Kyi würde sich mit deren “dezentraleren und vernetzteren Dynamik” sowie der historisch neuen Kooperation der ethnischen Mehrheit der Bama mit den ethnischen Minderheiten “nicht wohlfühlen”.

Die humanitäre Situation in Myanmar ist derweil katastrophal. Millionen Menschen wurden durch den Bürgerkrieg und das Erdbeben vom 28. März vertrieben. “Caritas Myanmar unterstützt weiterhin die Binnenvertriebenen und Erdbebenopfer. Der Bedarf ist jedoch zu groß, um mit den verfügbaren Ressourcen und Mitteln gedeckt zu werden”, sagt Caritas-Chef, Bischof Raymond Sumlut Gam, der KNA. “Zudem”, so der Bischof von Banmaw – die Stadt liegt im Norden des Landes – “sind einige Gebiete aufgrund der anhaltenden bewaffneten Konflikte schwer erreichbar”.