Es ist ein außergewöhnlicher Vorgang: Die Justiz überstellt eine Person nach Ungarn, ohne auf die Prüfung des Verfassungsgerichts zu warten. Das kritisiert das Bundesverfassungsgericht nun deutlich.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich am Freitag erneut zum Fall der nach Ungarn ausgelieferten, nicht-binären Person Maja T. geäußert. Die 1. Kammer des Zweiten Senats bestätigte im Detail ihre bereits am 28. Juni vorläufig erlassene einstweilige Anordnung gegen eine Abschiebung.
Allerdings war Maja T. unmittelbar nach der Billigung des Berliner Kammergerichts bereits an die ungarische Justiz überstellt worden, wenige Stunden bevor das Verfassungsgericht den Auslieferungsstopp anordnete. Die Berliner Behörden geben an, nicht gewusst zu haben, dass Maja T. beim Verfassungsgericht eine einstweilige Anordnung gegen die Auslieferung beantragt hatte.
Laut Medienberichten befindet sich Maja T. weiterhin in ungarischer Untersuchungshaft. Die Justiz wirft der Person vor, Mitglieder der rechtsextreme Szene in Budapest angegriffen zu haben.
Maja T. wurde auf Antrag Ungarns im Dezember 2023 in Berlin verhaftet. Am 27. Juni erklärte das Kammergericht Berlin die Auslieferung nach Ungarn als rechtens. Am Morgen des 28. Juni wurde die Person an die ungarischen Behörden übergeben. Gleichzeitig ordnete das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren um 11.00 Uhr an, die Überstellung vorerst zu stoppen.
Das Bundesverfassungsgericht kritisierte nun das Behördenvorgehen deutlich. Es gebe “erhebliche Bedenken”, ob die schnelle Überstellung an Ungarn, ohne die am gleichen Tag im Eilverfahren erfolgte Entscheidung des Verfassungsgerichts abzuwarten, den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes der betroffenen Person entspreche.
“Eine wirksame Wahrnehmung der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts erfordert, dass es den Fachgerichten gegenüber seine grundrechtsspezifischen Kontrollfunktionen wahrnehmen kann”, betonten die Verfassungsrichter. Diese zusätzliche, bundeseinheitliche und “auf die grundrechtliche Perspektive spezialisierte Kontrolle” sei wichtig, um die Grundrechte der Bürger umfassend zu schützen.
Zugleich kritisierten die Verfassungsrichter, dass das Berliner Gericht nicht ausreichend geprüft habe, ob die nicht-binäre Person in ungarischer Haft ausreichend vor sexueller Diskriminierung geschützt sei.