Die Deutschlandkarte ist übersät mit roten, gelben und blauen Stecknadeln und Punkten. Ein buntes Bild – doch mit einer traurigen Aussage: Es handelt sich nämlich um die “Deutschlandkarte Heimsterben”, die der Arbeitgeberverband Pflege auf seiner Homepage aktualisiert hat.
Insolvenzen, Geschäftsaufgabe, Einschränkungen von Leistungen: Verbandspräsident Thomas Greiner spricht mit Blick auf die immer dichter stehenden Punkte auf der Landkarte von einer “bundesweiten Versorgungskrise”. Besonders betroffen sind Einrichtungen im Westen und Norden Deutschlands. Auch der Verband katholischer Altenhilfe (VKAD) verweist auf zunehmende wirtschaftliche Schieflagen bei stationären Heimen und ambulanten Pflegediensten – und dadurch bedingt auf weniger Heimplätze, gekündigte Verträge und verzweifelte Angehörige von Pflegebedürftigen.
Pflegeheime: Schließungen, Insolvenzen oder Angebotsreduzierungen
Insgesamt gab es laut der Statistik des Arbeitgeberverbands von Januar 2023 bis Juli 2024 über 1.000 Schließungen, Insolvenzen oder Angebotsreduzierungen wie Kündigungen von Verträgen oder Aufnahmestopps. Allein in diesem Jahr zählte der Verband 101 Schließungen und 168 von Insolvenzen betroffene Pflegeangebote. Betroffen sind nicht nur Pflegeheime, sondern auch ambulante Dienste und Senioren-Wohngemeinschaften.
“Die Karte macht deutlich, dass das Heimsterben fortschreitet”, sagt Greiner. “Die Pflegebedürftigen leiden unter dem Versorgungsabbau, gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegebedürftigen. Pflegedienste müssen Anfragen ablehnen oder kündigen Verträge, die Wartelisten für einen Platz im Pflegeheim werden immer länger.”
Wohlfahrtsverbände warnen vor wachsenden Versorgungslücken
Auch Wohlfahrtsverbände und Pflegeexperten sprechen von einer veritablen Krise und warnen vor wachsenden Versorgungslücken. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, bezeichnete die Situation als “prekär”. Sie mahnte aber zur Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen: “Schließungen und Insolvenzen bedeuten nicht automatisch, dass es immer weniger Plätze gibt.”
Der evangelische Wohlfahrtsverband Diakonie sprach von einem Weckruf. “Zentrale Ursachen für die schlechte wirtschaftliche Lage sind der Fachkräftemangel, hohe Kosten und schleppende Zahlungen der Kassen und Sozialhilfeträger”, erklärte Sozialvorständin Maria Loheide: “Wir brauchen sofortige Hilfen und Anpassungen in der Pflegefinanzierung, damit nicht noch mehr Pflegeeinrichtungen schließen müssen.” Nur mit schnellen Reformen und besserer Unterstützung könne den Pflegebedürftigen geholfen werden.
Der Geschäftsführer des Verbands katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD), Andreas Wedeking, macht mehrere Probleme für den wachsenden Druck auf die Einrichtungsträger verantwortlich. So führe der regional unterschiedliche Personalmangel dazu, dass Heimbetreiber Stationen oder Betten leer stehen ließen, obwohl eine große Nachfrage danach bestehe. Das sei allemal günstiger, als Personallücken durch Zeit- und Leiharbeit auszugleichen.
Heime und Pflegedienste können gestiegene Personalkosten nicht auffangen
Zudem könnten Heime und Pflegedienste gestiegene Personal- und Sachkosten nicht einfach durch Preiserhöhungen auffangen, sondern müssten mit Pflegekassen und Sozialhilfeträgern die Pflegesätze aushandeln. “Die Sätze steigen mit erheblicher Verzögerung und laufen dem realen Kostenanstieg hinterher.” Auch bei Sozialämtern gebe es regional teilweise erhebliche Verzögerungen bei den Regelungen zu Wohngeld oder Sozialhilfe. Mancher Pflegedienst und manches Heim gerate dadurch in Schieflage.