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Vatikanverfahren läuft – Staatsanwaltschaft ermittelt nicht mehr

Experten werfen dem früheren Bischofskonferenz-Vorsitzenden Robert Zollitsch schwere Rechtsverstöße vor. Welche Folgen kann das vor staatlichen oder kirchlichen Gerichten haben?

Das im April 2023 veröffentlichte Freiburger Expertengutachten wirft dem früheren Bischofskonferenz-Vorsitzenden und Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch vielfachen Rechtsbruch vor. Der heute 85-Jährige soll Ermittlungen gegen Priester wegen Missbrauch und sexualisierter Gewalt behindert haben. Doch welche strafrechtlichen Folgen haben die Vorwürfe?

Ein staatliches Verfahren gegen Zollitsch scheint inzwischen ausgeschlossen. Denn die Freiburger Staatsanwaltschaft hat das Gutachten geprüft, ausgewertet und danach mitgeteilt, keine Anhaltspunkte auf weitere, bisher nicht verfolgte und noch verfolgbare Straftaten gefunden zu haben. Auch aus den seit der Berichtsveröffentlichung eingegangenen Strafanzeigen gegen Zollitsch ergeben sich demnach keine weiteren Ermittlungen.

Anders sieht es bei der kirchenrechtlichen Aufarbeitung aus. Hier prüft der Vatikan weiterhin etwaiges Fehlverhalten Zollitschs. Zum Stand des Verfahrens gibt es derzeit aber keine Informationen. Der Sprecher Zollitschs, Marco Mansdörfer, sagte der “Zeit”-Beilage “Christ und Welt” am Freitag, es handle sich “lediglich um ein Vorverfahren zu einem Disziplinarverfahren”. Zu Inhalten wolle sich Zollitsch nicht äußern.

Den Anstoß für die vatikanische Untersuchung gab eine Anzeige gegen Zollitsch durch seinen Nachfolger, den Freiburger Erzbischof Stephan Burger. Denn seit 2019 legt das Kirchenrecht fest, dass sich jeder Priester sofort an seinen Bischof wenden muss, wenn er Hinweise auf Missbrauch oder dessen Vertuschung erhält. Wenn sich der Verdacht gegen einen Bischof richtet, muss der Vatikan eingeschaltet werden. Zuständig ist dann die Bischofs-Behörde im Vatikan. Laut Kirchenrecht kann letztlich nur der Papst einen früheren Ortsbischof sanktionieren.

Geregelt sind auch mögliche Strafen: Für Missbrauchstäter ist die Höchststrafe die zwangsweise Entlassung aus dem Klerikerstand. Ein Bischof, der für schuldig befunden wird, vertuscht oder eine Strafverfolgung vereitelt zu haben, muss zurücktreten. Denkbar sind für einen emeritierten Bischof förmliche Verbote bischöflicher Handlungen wie Firmungen oder Priesterweihen oder ein Verbot, die bischöflichen Kennzeichen wie Mitra, Bischofsstab und Bischofskreuz in der Öffentlichkeit zu tragen. In schweren Fällen sind auch Kürzungen der Pensionsbezüge sowie ein befristetes oder vollständiges Verbot öffentlicher Auftritte möglich.

Im Fall Zollitsch könnten die meisten dieser Strafen kaum breite Wirkung erzielen, weil der 85-Jährige ohnehin seit langem nicht mehr öffentlich auftritt. Persönlich treffen dürfte eine Verurteilung Roms Zollitsch aber dennoch.

Zollitsch war von 1983 bis 2003 Personalreferent des Erzbistums. Von 2003 bis 2014 stand er als Erzbischof an der Spitze der Diözese. Von 2008 bis 2014 war er auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

Laut dem von unabhängigen Experten erarbeiteten Freiburger Missbrauchsbericht wurden im Erzbistum seit den 1950er Jahren mindestens 540 Minderjährige Opfer sexualisierter Gewalt durch katholische Seelsorger. Bekannt sind rund 250 nachweislich schuldig gewordene oder des Missbrauchs beschuldigte Priester.