Artikel teilen:

“Unsere Welt braucht einen Peacemaker”

Wie eine Fanmeile wirkt die rund 400 Meter lange Straße Via della Conciliazione, die direkt zum Petersdom führt. An ihren Seiten sind Leinwände aufgebaut. Sie zeigen Live-Bilder der Piazza San Pietro und – im entscheidenden Moment – den Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle, dessen Rauch die Welt über die Wahlausgänge des Konklaves informiert. Auf der Straße ruhen sich Touristen und Wallfahrer in der Sonne aus, Journalisten schalten in die Fernsehsendungen ihrer Heimatländer rund um den Erdball. Spannung und eine freudige Aufregung liegen in der Luft.

Mit Beginn des Konklaves haben die Einsatzkräfte den Bereich vor dem Petersdom in Sicherheitszonen unterteilt. Die Kontrolle der Passanten läuft ruhig ab. In einem Straßencafé nahe einer der Polizeiabsperrungen sitzen Angelika aus Burghausen in Oberbayern und Renate aus dem oberösterreichischen Braunau am Inn. Sie sind mit ihren Partnern im Urlaub.

„Dass wir gerade in diesem Moment hier sind“, sagt Renate: „Das ist schon gigantisch, wenn man weiß, es kommt eine Entscheidung und wir sind mittendrin.“ Auf den Rauch aus dem Kamin wollen die Freunde aber nicht vor Ort warten. Überhaupt, sagen sie, haben sie zwar sehr wohl einen Glauben, aber mit der Institution Kirche könnten sie wenig anfangen. „Dieser Prunk, ist der gerechtfertigt?“, fragt Angelika. Dass der neue Papst daran etwas Grundlegendes ändern könne, bezweifelt sie.

Die Pilgerin Janka aus der Slowakei sieht das ganz anders. Ihr Wunsch ist es, dass der neue Papst in die Richtung weitergeht, die Franziskus während seines Pontifikats eingeschlagen hat, dass er „zumindest so weitermacht wie der verstorbene. Das wäre schön.“

Monika aus Kulmbach hat ganz konkrete Themen auf ihrer Wunschliste: Vor allem, dass die katholische Kirche den Menschen und seine Lebensumstände so akzeptiert, wie sie sind. Sie denkt an jene, die als Geschiedene in der Regel keine Kommunion empfangen oder kein zweites Mal vor den Traualtar treten dürfen. Und auch an die katholischen Priester, die ihrer Meinung nach ein Recht auf eine eigene Familie eingeräumt bekommen sollten. „Wenn ich in die evangelische Kirche gehe, dann empfinde ich die Atmosphäre dort als lockerer und freier“, resümiert die Oberfränkin: „Bei uns Katholischen ist alles so streng und strikt, da dürfen keine Äste nach außen wachsen.“

Mit ihrer Kirchengemeinde an der Ostküste Australiens ist Margaret nach Rom gereist. „Es ist unglaublich, hier sein zu dürfen und die Stimmung aufzusaugen“, erzählt die Katholikin. Im Hinblick auf das Konklave betont sie die Rolle des Kirchenoberhaupts als Vermittler: „Unsere Welt braucht jemanden, der sich für Einheit und Frieden einsetzt, einen Peacemaker.“ Die Ereignisse am Schornstein will sie lieber vom Fernseher aus mitverfolgen.

Matteo ist schon länger hier als alle anderen. Doch im Gegensatz zu ihnen wartet er auf nichts. Nicht auf den Einlass in die Basilika und nicht auf weißen Rauch von der Papstwahl. Seit drei Jahren lebt er unter den Kolonnaden am Petersplatz, sagt er. Matteo ist ein Pseudonym, seinen eigentlichen Namen will er nicht veröffentlicht wissen. Seit Papst Franziskus nicht mehr da ist, sagt er, ist die Welt anders, schlechter. „Für mich war er wie ein Schatten, der mir Sicherheit gibt.“ Was sind seine Erwartungen an den neuen Papst? Matteo versteht die Frage nicht. Erwartungen an einen Mann zu haben, der durch den Willen Gottes eingesetzt wird, ist für ihn undenkbar.