Das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Erlangen-Nürnberg hat Krankenmorde der Nationalsozialisten in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Erlangen (Hupfla) aufgearbeitet. Die Ergebnisse werden in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Erlangen im Buch „NS-‘Euthanasie’ in Franken“ veröffentlicht, teilte die Uni am Freitag mit. Die Buchvorstellung findet am Montag (18. November) im Hörsaal Harald zur Hausen der Medizinischen Fakultät statt.
„Der Anspruch dieses Buches ist eine Gesamtdarstellung der Geschehnisse in der Heil- und Pflegeanstalt bis 1945“, sagte der Herausgeber Karl-Heinz Leven, Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin. Das Ziel sei gewesen, die Geschichte dieser Institution differenziert aufzuarbeiten, Ereignisse und Zusammenhänge sowie Einzelschicksale von Opfern darzustellen und historisch einzuordnen. Dafür habe man umfangreiches Archivmaterial durchforstet, auch bislang nicht analysierte Patientenakten aus der Psychiatrie, sagte die federführende Autorin, die Linguistin Sabrina Freund.
Man kenne nun alle Namen der „T4“-Opfer, also derjenigen, die bis 1941 in Krankentransporten in die Tötungsanstalten gefahren wurden. Nach 1941 seien die Kranken im Zuge einer „dezentralen Euthanasie“, so der Begriff der Forschung für diese Praktik, systematisch einer Hungerkost ausgesetzt worden. Die Menschen starben oft nach langem Leiden in der Hupfla. Das Buch setze sich auch mit der abwertenden und entmenschlichenden Sprache der Mediziner in den Krankenakten auseinander.
Beiträge in dem Buch stammen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Uni und vom Stadtarchiv. Es ist als Printausgabe verfügbar sowie im Open Access online kostenlos abrufbar. In einem geplanten zweiten Band soll es um die Zeit nach 1945 gehen, um die versuchte juristische Aufarbeitung der Krankenmorde und um die Hupfla als Erinnerungsort. Die ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt war 2023 trotz massiver Proteste von Ärzten und Denkmalschützern zu großen Teilen abgerissen worden, um Platz für neue Medizin- und Forschungsgebäude zu schaffen. (00/3610/15.11.2024)