Politische Verhältnisse gefährden die Klimawende in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt die am Dienstag veröffentlichte Studie „Klimawende Ausblick 2024“ der Universität Hamburg, für die der Soziologe Stefan Aykut vom Exzellenzcluster Klima, Klimawandel und Gesellschaft (CLICCS) und sein Team den Stand der deutschen Klimawende untersucht haben. Anstatt weniger benötige die Zivilgesellschaft mehr Handlungsspielraum, betont der Soziologe. Zudem sollte Deutschland „erheblich mehr investieren“.
Emissionen seien gesenkt und die Nutzung erneuerbarer Energien ausgebaut worden, sagt Aykut. „Deutschland scheint auf einem guten Weg zu sein, seine Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Anders sieht es aber mit seinen Zielen bis 2045 aus.“ Bis dahin will Deutschland klimaneutral werden. Technisch und ökonomisch wäre das machbar, sagt Aykut, politisch und gesellschaftlich aber drohe die Transformation an Fahrt zu verlieren.
Die Studie macht deutlich, dass erreichte Emissionsminderungen oft nicht dauerhaft abgesichert sind. Auch zeigt sie, dass Schuldenregeln und steuerpolitische Entscheidungen den Spielraum für klimafreundliche Investitionen einschränken. Hinzu komme, dass aufstrebende rechtspopulistische Parteien Klimaschutz-Maßnahmen insgesamt ablehnten.
Aykut fokussiert sich auf Schlüsselfaktoren, sogenannten gesellschaftlichen Treibern. Der klimaneutrale Umbau fordere bestehende Interessen, Gewohnheiten und Geschäftsmodelle heraus, sagt er und spricht von gesellschaftlichen Prozessen, „die die Klimawende ausbremsen, sie aber umgekehrt auch immer wieder antreiben“.
Positive Impulse kommen der Studie zufolge aus der Zivilgesellschaft. So sei die Klimabewegung vielfältiger geworden. Erfolge gebe es bei wegweisenden Gerichtsbeschlüssen. Allerdings könnten auch Gerichte die Klimawende nicht allein umsetzen. Hoffnung bestehe daher vor allem in der Verknüpfung positiver Dynamiken in Politik, Zivilgesellschaft und Rechtsprechung, die einander verstärken und so den Schutz des Klimas vorantreiben, heißt es.
Problematisch sei, dass Möglichkeiten des Protests zunehmend eingeschränkt würden. Auch dass Vereinigungen die Gemeinnützigkeit entzogen werden solle, sei „ein falsches Signal“, sagt Aykut.
Zudem treten der Studie zufolge zunehmend Konflikte um Verteilungsfragen auf, Beispiele seien die Proteste um den Abbau von Agrardiesel-Subventionen oder um das Heizungsgesetz. Es seien „nicht nur neue Technologien und Märkte“ nötig, „sondern auch neue Formen des Arbeitens, Wirtschaftens und Konsumierens“, sagt Aykut.
Am Beispiel „Konsumverhalten“ macht der Soziologe deutlich, dass positive Klimatrends oft konterkariert werden. So würden Pkw-Hersteller neben Elektroautos immer schwerere SUV-Fahrzeuge auf den Markt bringen. Es sei zu überlegen, wie sich solche Negativtrends im Vorwege verhindern lassen, sagt Aykut. Er denke, „dass man da regulatorisch vorgehen muss“.
Der vorliegende erste Band „Klimapolitik, Klimabewegung und Klimaklagen“ soll den Grundstein für eine Studienreihe zu den gesellschaftlichen Dynamiken der Wende zur Klimaneutralität in Deutschland legen. Die Studienreihe wird von der Stiftung Mercator gefördert. Das Projekt ist auf fünf Jahre angelegt, nach und nach werden einzelne Treiber analysiert. Die Ergebnisse sollen jährlich veröffentlicht werden.