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Undenkbares denken

Katharina Zell und was die Kirche heute von ihr lernen kann

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Sie ist eine der spannendsten Frauen der Reformationszeit: Katharina Zell, auch bekannt unter ihrem Geburtsnamen Katharina Schütz.

Geboren um 1497 in einem Handwerkshaushalt, genoss die junge Katharina eine gute Schulbildung und begann in den 1520er Jahren, sich mit den ersten reformatorischen Schriften auseinanderzusetzen. 1523 heiratete sie Matthäus Zell, der 1518 als Prediger an das Straßburger Münster gekommen war und schon bald reformatorisch zu predigen begonnen hatte. Die  Eheschließung war für beide Eheleute ein klares  Bekenntnis zu ihrer evangelischen Gesinnung und ein sichtbares Zeichen nach außen.

Sie stellt sich schützend vor ihren Ehemann

1524 begann Katharina zu schreiben. Ihre erste Flugschrift ist eine Verteidigungsschrift für ihren Mann. Unter dem Titel „Die Entschuldigung der Katharina Schützin für ihren Ehemann Matthäus Zell“ verteidigt sie die Priesterehe und stellt sich schützend vor ihren Ehemann. Ihre Argumentation ist biblisch begründet, und schon mit dieser ersten Schrift zeichnet sich die junge Frau als eigenständige  Theologin aus. Die Entschuldigung  und eine weitere Flugschrift aus dem Jahr 1524 sorgten für so viel Wirbel, dass der Rat der Stadt Straßburg ihr weitere Publikationen verbot. Ihr reformatorisches Schaffen und ihr theologisches Denken konnte der Rat aber nicht beenden.
Katharina Schütz-Zell hat den Gedanken des Priestertums aller Getauften ernst genommen und wie kaum eine andere Frau der Reformation in Wort und Tat gelebt. Das Recht, als Getaufte das Evangelium zu verkünden, ließ sie sich nicht nehmen. Sie ließ sich nicht einschüchtern – von keiner Seite. Vehement wehrte sie sich auch gegen die Verfolgung der Täufer.
Katharina Schütz-Zell und ihr Leben machen fast 500 Jahre später,  in einer Zeit, in der unsere Kirche vor Veränderungen steht und in der die Zukunft unserer Kirche ungewiss scheint, Mut. Sie bezog in ihrer Verkündigung und in ihrem Handeln immer eine klare Position. Dafür wurde sie angefeindet, weil sie alles, was bis dahin normal gewesen war, in Frage stellte: Sie heiratete einen Priester und empfing das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Sie bot Flüchtlingen Unterschlupf und fragte nicht erst nach deren Bekenntnis. Sie predigte zu einer Zeit als Frau, als das noch vollkommen undenkbar war. Sie bestattete Menschen, die niemand sonst bestatten wollte, weil sie davon überzeugt war, dass das Richten über Menschen allein Gottes Angelegenheit ist.
All das tat sie, weil es für sie biblisch und theologisch notwendig war. Die Bibel war die Richtschnur in ihrem Leben und was sie tat, konnte sie immer theologisch begründen.  Ein weites Herz zu haben, bedeutete im Leben von Katharina Schütz-Zell keineswegs theologische Beliebigkeit.
So kann ihr Vorbild dazu herausfordern, sich nicht in dogmatischen Lehr- und Lieblingssätzen einzurichten, sondern sich im eigenen Glauben, in der Glaubens­praxis und in dem eigenen Bild von Kirche immer wieder anfragen zu lassen. Von Katharina können wir lernen, unsere  jeweiligen Überzeugungen nicht zum Maß aller Dinge zu machen und trotzdem für unsere Überzeugungen einzustehen – auch wenn andere sagen: Das hat es  ja noch nie gegeben!
Katharina Schütz-Zell hat in ihrem Leben gezeigt, dass theologisches Denken und verantwortliches Handeln, dass Spiritualität und gesellschaftliche Verantwortung, dass Theologie und Politik nicht voneinander zu trennen sind. Und dass es sich lohnt, in der Kirche undenkbare Dinge zu denken und zu versuchen.

Zwei Jahre vor dem Reformationsjubiläum 2017 kommen auch Frauen in den Blick, die sich eingesetzt haben für die Reformation und die mitgeholfen haben, deren Ideen zu verbreiten. Zwei von ihnen, Katharina Schütz-Zell und Argula von Grumbach, stellen unsere Autorinnen, beide Mitarbeiterinnen im Frauenreferat der westfälischen Landeskirche von Westfalen, in dieser Ausgabe vor.