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UN: Beweise gegen Hongkonger Verleger Lai durch Folter erlangt?

Seit 2020 ist der Katholik und Menschenrechtler Jimmy Lai in Haft, seit Dezember steht er wegen Verstößen gegen das nationale Sicherheitsgesetz vor Gericht. Doch kamen alle Beweise gegen den 76-Jährigen rechtmäßig zustande?

Die Vereinten Nationen warnen vor der Zulassung von Beweisen im Prozess gegen den katholischen Hongkonger Verleger Jimmy Lai, die möglicherweise durch Folter eines Zeugen in China erlangt wurden. Die UN-Sonderberichterstatterin zu Folter, Alice Jill Edwards, forderte Chinas Regierung auf, den Foltervorwurf aufzuklären und eine Untersuchung einzuleiten. “Das absolute Verbot, sich in einem Verfahren auf Beweise zu stützen, die durch Folter oder andere Misshandlungen erlangt wurden, ist ein grundlegender Schutz”, erklärte sie am Mittwoch.

Der Einsatz von Folter und anderen Zwangstechniken, um Geständnisse zu erzwingen, sei in China gut dokumentiert, so die australische Juristin. Sie erinnerte China daran, dass es die UN-Konvention gegen Folter ratifiziert hat. Das internationale Anwaltsteam des inhaftierten Demokratieaktivisten Lai hatte Anfang Januar bei Edwards einen dringenden Rechtsbehelf gegen einen der wichtigsten Zeugen der Anklage eingelegt.

Jimmy Lai (76), Gründer der 2021 eingestellten Zeitung “Apple Daily” und seit Jahrzehnten Streiter für Presse- und Meinungsfreiheit in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong, wurde im August 2020 verhaftet und nach dem nationalen Sicherheitsgesetz wegen Volksverhetzung und Absprachen mit ausländischen Mächten angeklagt. Bei einer Verurteilung droht Lai lebenslange Haft. Mehrere UN-Experten forderten im Januar die Behörden in Hongkong auf, alle Anklagen gegen Lai fallenzulassen und ihn unverzüglich freizulassen.

Der Prozess gegen den katholischen Verleger ist der zweite auf Basis des umstrittenen nationalen Sicherheitsgesetzes von 2020. Es folgt auf den Prozess gegen 47 Demokratieaktivisten im vorigen Jahr, dessen Urteil noch aussteht.

Bei dem Zeugen der Anklage handelt sich um einen der zwölf Hongkonger Demokratieaktivisten, die im August 2020 von der chinesischen Küstenwache bei dem Versuch, per Speedboot nach Taiwan zu flüchten, festgenommen wurden. Der Mann wurde wegen illegalen Grenzübertritts sieben Monate in einem Gefängnis im südchinesischen Shenzhen festgehalten. Im März 2021 wurde er nach Hongkong zurückgebracht und wegen Verschwörung mit ausländischen Mächten angeklagt. Im August 2021 bekannte er sich schuldig und gab Lai als einen seiner Mitverschwörer an.

Lu Siwei, Anwalt der zwölf Hongkonger Demokratieaktivisten, war im Herbst 2023 gegen seinen Willen aus Laos nach China zurückgebracht und inhaftiert worden. “Er ist in großer Gefahr, gefoltert und anderweitig misshandelt zu werden”, warnte Amnesty International im Oktober.