Kürzere Lebenszeit in Pandemiejahren: Die Corona-Wellen haben laut Experten fast überall in Europa zu Übersterblichkeit geführt. In Deutschland gab es Unterschiede zwischen Ost und West.
In der Corona-Pandemie hat es in den meisten europäischen Regionen eine Übersterblichkeit gegeben. Bevölkerungsexperten haben für ganz Europa eine Aufarbeitung vorgelegt, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung am Mittwoch in Wiesbaden bekanntgab. Erstmals sei eine detaillierte räumliche Betrachtung der Übersterblichkeit im Zeitverlauf möglich. Insgesamt umfasst die Studie Daten für 569 Regionen in 25 europäischen Ländern.
Im ersten Pandemiejahr registrierten die Forschenden eine hohe Übersterblichkeit in Norditalien, der Südschweiz, in Zentralspanien und in Polen. In Teilen Nord- und Westdeutschlands, Dänemarks, West- und Südfrankreichs, Norwegens und Schwedens verzeichneten sie 2020 hingegen eine Untersterblichkeit.
Mit Blick auf Regionen Italiens und Spaniens, in denen 2020 die ersten großen Covid-19-Ausbrüche waren, sagte Co-Autor Michael Mühlichen: “In der Spitze lag die Lebenserwartung mehr als zweieinhalb Jahre unter dem Erwartungswert.”
2021 verlagerte sich der Schwerpunkt der Übersterblichkeit nach Osteuropa. In der Slowakei, Litauen, Lettland, Ungarn sowie in Teilen Polens und Tschechiens lag die Lebenserwartung um mehr als 2,5 Jahre unter dem statistisch erwarteten Wert. Männer waren demnach stärker als Frauen betroffen.
Auch viele westeuropäische Regionen zeigten eine höhere Übersterblichkeit als im Vorjahr. “Während im ersten Pandemiejahr 362 Regionen eine signifikante Übersterblichkeit verzeichneten, waren es im Folgejahr sogar 440”, berichtete Mitautor Pavel Grigoriev.
In Deutschland war 2021 für die Experten ein Ost-West-Gefälle sichtbar: Die Übersterblichkeit betrug in Thüringen sowie in Teilen von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg 1,5 bis 2 Jahre. Im westlichen Bundesgebiet habe sie unter einem Jahr gelegen, mit Ausnahme einiger bayerischer Gebiete.
Die Studie hat das Bundesinstitut gemeinsam mit dem französischen Institut für demografische Studien verfasst und jetzt in der Fachzeitschrift “Nature Communications” veröffentlicht.