Ob Pferdestall, Restaurantküche oder Kleiderkammer – die US-Amerikanerin Danielle Bartz schaute auf ihrer Deutschlandreise hinter die Kulissen sozialer Arbeit. Und das in nur fünf Tagen. Die Referentin des Council for Health and Human Services Ministries (CHHSM) der United Church of Christ (UCC) war zu Gast bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) und ihren Mitgliedseinrichtungen. Seit 2009 tauschen sich die Verbände im Rahmen einer Partnerschaft über die diakonische Arbeit diesseits und jenseits des Atlantiks aus.
Soziale Arbeit in den USA auf Spendenbasis
Im CHHSM ist die diakonische Arbeit der protestantischen UCC-Kirche zusammengefasst. Der Verband hat 75 Mitglieder mit rund 360 Einrichtungen, die mehreren Millionen Menschen in den USA soziale Hilfen anbieten. Diese Angebote reichen von Gesundheitsvorsorge, Kinder- und Jugendhilfe, Altenhilfe bis hin zu Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen.
Erste Station der kurzen Informationsreise von Danielle Bartz war der Neukirchener Erziehungsverein, der bereits seit 170 Jahren vernachlässigte und missbrauchte Kinder sowie Familien mit Erziehungsschwierigkeiten unterstützt. Er betreut in zehn deutschen Bundesländern rund 3000 junge Menschen, viele davon in stationären Einrichtungen und Wohngruppen.
„Diese Vielfalt der Betreuung kennen wir nicht“, erzählte die Referentin beim Besuch des therapeutischen Reitstalls. „Bei uns wachsen diese Kinder und Jugendliche größtenteils in Pflegefamilien auf. In Heimen bleiben sie in der Regel nicht länger als zwei Monate.“
Zwar ist es für Danielle Bartz bereits die zweite Informationsreise, die sie im Rahmen der seit 2009 bestehenden Partnerschaft zwischen CHHSM und der Diakonie RWL unternommen hat. Doch Grund zum Staunen über die Vielfalt sozialer Arbeit in Deutschland gab es genug. „Ich bin immer wieder überrascht, wie stark der Staat Ihr Engagement für sozial benachteiligte Familien und Kinder, für Obdachlose und Arme unterstützt.“ Die diakonische Arbeit der CHHSM basiere dagegen größtenteils auf Spenden.
Hintergrund: Die Neutralität des US-Staates verbietet der Regierung, religiösen Organisationen Gelder für karitative Aufgaben zu geben. Außerdem gibt es in den USA kein vergleichbares System von Sozialversicherungen wie in Deutschland.
Beide Seiten können voneinander lernen
Insgesamt haben die CHHSM-Einrichtungen ein Budget von rund 3,9 Millionen US-Dollar. Ohne die vielen Ehrenamtlichen aber wäre die soziale Arbeit von CHHSM nicht möglich, räumte Danielle Bartz im Gespräch mit Vertretern der Diakonie RWL und Leitern diakonischer Werke und Einrichtungen ein. Erstaunt war sie daher auch bei einem Besuch im Restaurant „Church“ des Diakonischen Werkes Essen. Dort werden sozial benachteiligte Jugendliche und langzeitarbeitslose Menschen mit staatlichen Fördermitteln für Integrationsbetriebe zu Restaurantfachkräften ausgebildet. Die Verknüpfung von sozialer Arbeit mit Arbeitsverhältnissen, die sozialebenachteiligte und behinderte Menschen für den Arbeitsmarkt qualifizieren, sei in den USA kaum bekannt, so Bartz. In dieser Hinsicht könnten die Amerikaner viel von den Deutschen lernen, meinte die Referentin.
Das gelte allerdings auch umgekehrt, waren sich Helga Siemens-Weibring, Geschäftsbereichsleiterin für Familie, Bildung und Erziehung bei der Diakonie RWL und Hans-Wilhelm Fricke-Hein, Vorstand des Neukirchener Erziehungsvereins, einig. „Das Fundraising und die gute Netzwerkarbeit der CHHSM sind vorbildlich.“