Von Veit Hoffmann
In der vergangenen Woche erfuhren wir viel über Liebe und Treue. Liebe kann durchaus Mauern durchbrechen und auch Brücken einstürzen lassen. In Paris ist am 8. Juni ein Teil der Brücke Pont des Arts eingestürzt. Jener Brücke, die zum Louvre-Museum führt. Der Grund: Unzählige Liebespaare hängen dort sogenannte Liebesschlösser ans Geländer. Auf die Schlösser haben sie meist ihre Namen geschrieben. Also Pascale[&]Chloé oder Jules[&]Manon. Dann hängen sie die Schlösser am Geländer auf, schließen ab, werfen den Schlüssel in die Seine und schlendern Arm in Arm ihrem Liebesglück entgegen.
Nun hat ein zweieinhalb Meter langes Stück des Brückengeländers der Last der Liebe nicht mehr standgehalten und ist eingestürzt. Vielleicht wäre das nicht passiert, wenn regelmäßig überprüft worden wäre, ob alle aufgehängten Schlösser noch gültig, sich die Paare noch treu sind – sinnierte die Süddeutsche Zeitung am Wochenende. Doch wie sollte man das überprüfen?
Was Treue bedeutet, und dass sie nach ganz einfachen Regeln funktioniert, lernen wir gerade bei der Fußball-WM. Milliarden in allen Ländern versammeln sich in diesen Wochen zum Treuegelöbnis vor dem TV oder im Stadion.In die Alte Försterei, dem Stadion des 1. FC Union Berlin, hier um die Ecke, schleppten Fans ihre alten Sofas auf das Spielfeld, um nun vier Wochen lang gemeinsam die Spiele in Brasilien zu schauen. In unserer Zeit der Treulosigkeit sind sie der Beweis für wahre Treue. Jede Liebe beginnt mit Träumerei und Illusion wie auf der Pont des Arts. Doch solche romantischen Gesten krachen häufig. Ein Fußball-Fan hat keine Illusion. Für ihn ist Treue ein ernstes Geschäft, nicht etwas Gelegentliches, Zwangloses. Es ist die Treue zur Kalklinie, die nicht überschritten werden darf. Fans lieben bedingungslos ihren Fußball und die klaren Regeln. Die Union-Fans sind der lebende Beweis. Sie lieben ihren Verein und leiden mit ihm. Sie begleiten ihn durch Höhen und Tiefen.
In Brasilien spielen Länder nach ganz einfachen Regeln miteinander. Ohne Gier, Macht oder Angst. Da werden „Schwalbe“ und „sterbender Schwan“ abgemahnt. Und Milliarden fiebern jedem Spiel erneut entgegen. Weshalb gibt es so etwas nur auf dem Spielfeld? Vielleicht liegt liegt es daran, dass niemand mehr an die wahre Liebe und Treue glaubt, die doch so einfach sein kann. Doch das ist ein Thema für eine ganz eigene Kolumne.