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Über Kirchenasyl entscheidet die Gemeinde

Bischof Markus Dröge hat mit einem Brief an die Gemeinden für das Kirchenasyl geworben. Der Migrationsbeauftragte der Landeskirche, Hanns Thomä, erklärt im Interview, wie das Kirchenasyl funktioniert und warum es so wichtig ist.

Von Wolff von Rechenberg

Herr Thomä, warum sollten Kirchengemeinden Kirchenasyl anbieten?Kirchenasyl ist eine sehr wichtige Form von Hilfe für Menschen in Not. Es geht in aller Regel um Flüchtlinge, denen die Abschiebung droht. Wer sich nicht auskennt, würde denken, dass unsere Asylrechtsverfahren sicherstellen, dass Menschen nicht abgeschoben werden, wenn ihnen Gefahr für Freiheit, Leib und Leben droht. Das ist aber im Einzelfall nicht immer gegeben. Deshalb wurde vor 30 Jahren in Berlin-Kreuzberg in der Heilig-Kreuz-Gemeinde das erste Kirchenasyl in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg begründet. Es drohte die Abschiebung einer Flüchtlingsfamilie in den Krieg im Libanon. Die Gemeinde hat damals gesagt: „Wir können nicht zuschauen, wenn Menschen in den Tod oder in Gefahr für Leib und Leben geschickt werden.“ Auch heute gibt es Fälle, in denen solche Gefahren drohen.Warum sehen Sie die Kirche in einer besonderen Verantwortung?Die besondere Verantwortung entsteht, weil ein Mensch um Hilfe bittet. Eine gute Kirchengemeinde wird ihn hereinbitten, mit ihm reden und prüfen, ob sie ihm helfen kann.Welche Risiken gibt es für Gemeinden, die Kirchenasyl anbieten?Wir sind der Ansicht, dass das Eintreten für Flüchtlinge christlich geboten ist. Die Kirchenleitung hat eine Handreichung für die Gemeinden herausgegeben. Wir gehen davon aus, dass Gemeinden, die sich an die Empfehlungen dieser Handreichung halten, nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Allerdings steht das Kirchenasyl in einer rechtlichen Grauzone. Doch es gibt auch im staatlichen Recht Beispiele dafür, dass um eines höheren Rechtsgutes willen Recht verletzt werden kann. So kann zum Beispiel ein Mensch straffrei bleiben, der einen anderen schützt und dabei den Angreifer verletzt. In den vergangenen 30 Jahren ist in unserer Landeskirche in keinem einzigen Fall eine Kirchengemeinde verurteilt worden, weil sie ein Kirchenasyl durchgeführt hat. (…)

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