Mehr als 450 Menschen werden ab Mittwoch im Vatikan über die Zukunft der katholischen Kirche beraten. Der Ausgang ist ungewiss, der Zugang beschränkt.
Es ist der stimmungsvolle Auftakt zur zentralen Arbeitsphase der Weltsynode: Das Abendgebet am Samstag auf dem Petersplatz. Wenige Tage vor Beginn der Versammlung im Vatikan schwört der Papst hier seine Teilnehmenden auf Stille und Schweigen ein. Gott möge kein großes Aufheben, kein Gerede und Getöse, so seine Worte. Erst das Schweigen ermögliche in der kirchlichen Gemeinschaft eine geschwisterliche Kommunikation und das Hören auf den Willen Gottes, erklärte Franziskus weiter.
Der ehemalige Leiter des Dominikanerordens, Timothy Radcliff, warnte bei den folgenden Besinnungstagen die anwesenden Bischöfe, Priester und Laien vor Druck durch die Presse. “Die Medien werden wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass alles nur Zeitverschwendung war, nur Worte. Sie werden darauf achten, ob gewagte Entscheidungen zu vier oder fünf brisanten Themen getroffen werden”, sagte der Ordensmann.
Die Sorge um ein Informationsleck der Synode und Einflussnahme von Außen zieht sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen rund um die Kommunikationsstrategie des kommenden Großereignisses. Bei diesem soll über das künftige Miteinander in der katholischen Kirche diskutiert werden. Anfang September hatte Franziskus Medienschaffenden erklärt, dass sie im Oktober nicht zu den Debatten der Bischofssynode zugelassen seien. Die Antwort auf die Frage nach möglichen Direktübertragungen aus dem Plenum war ein schlichtes “Nein”. Die Synode sei nun mal kein TV-Format, so Franziskus.
Zuletzt wurden aus Vatikankreisen Gerüchte laut, Franziskus erwäge gar die gesamte Synode unter das Päpstliche Geheimnis zu stellen, also strengste Geheimhaltung. Ihre Verletzung steht unter Strafe. Ungewöhnlich wäre dieser Vorgang für einen Papst, der stets Transparenz predigt. Niedergeschrieben sein könnte die Regel in dem Buch für die Verfahrensweisen zur kommenden Versammlung. Noch wurde es nicht an die Beteiligten ausgegeben.
Wahrscheinlicher ist ohnehin Franziskus’ steter Appell für Stillschweigen und gegen das von ihm so häufig verurteilte “Geschwätz”. Unwahrscheinlich hingegen ist deren Wahrung – auch bei Anwendung der päpstlichen Geheimhaltungspflicht. Über 450 Männer und Frauen werden einen knappen Monat gemeinsam beraten, hinzu kommen zahlreiche Mitarbeitende in der vatikanischen Synodenaula.
Die Strafandrohung bei einem Bruch könnte die Indiskretionen lediglich verschieben. Gemäßigte Stimmen dürften sich eher an die Vatikanvorgaben halten. Damit eröffnen sich neue Räume für die extremen Lager, die ihre Anliegen – vielleicht auch über Mittelsmänner – in der Öffentlichkeit platzieren. Einen Gegenbeweis würden Journalisten und Journalistinnen wie Synodenverantwortliche bei bestehendem Schweigegebot wohl kaum anführen können.
Der Papst steht vor einem Dilemma. Einerseits möchte er politische Grabenkämpfe während der Synode vermeiden, die Einflussnahme auf die Teilnehmenden von Außen wenigstens reduzieren. In einem geschützten Raum werden Gespräche zudem anders und offener geführt als unter Beobachtung. Die stete Gefahr einer Instrumentalisierung von innen wie außen bleibt aber bestehen – eine totale Abschirmung ist heute unmöglich.
Beeinflussen könnte er jedoch das Gleichgewicht des Informationsflusses. Redebeiträge im Plenum finden ohnehin vor rund 450 Menschen statt. Sie könnten Journalisten zugänglich gemacht werden. Eine kleine Gruppe von Vatikanjournalisten könnte aus der Aula ihre Kollegen mit unabhängigen Informationen versorgen.
Stattdessen setzt der Papst auf seine Pressestelle. Ihre Mitarbeitenden sollen den Medienschaffenden einmal am Tag über die Vorgänge in der Synode berichten. Die Krux für die Berichterstattung: In den sogenannten Briefings soll laut vatikanischem Kommunikationschef Paolo Ruffini das enthalten sein, was konstruktiv für die Kirche ist. Intransparenz mit Ansage also. Direktübertragungen von Gebetsmomenten, Gruß- und Einführungsworte zu den einzelnen Modulen dürften schwerlich einen Einblick in das Klima der Synode geben. Die Teilnehmenden für geplante Pressekonferenzen wählt der Vatikan aus.
Die Synode ist das Herzensprojekt von Papst Franziskus. Geht es bei der Abschottung vielleicht auch um den Schutz seines Vermächtnisses? Ganz sicher über Ablauf und Ausgang der Veranstaltung scheinen sich auch die Projektverantwortlichen noch nicht zu sein. Stets dämpfen sie die Erwartungen, verweisen immer wieder auf das zweite und finale Synodentreffen im nächsten Jahr. Es wirkt wie eine Rückversicherung für den Fall, dass sich die aktuelle Zusammenkunft zu einem Flop entwickelt.
Klar ist: Nicht nur die Medien haben eine Interesse an der Berichterstattung über die Synode. Franziskus selbst war es ein Anliegen, das gesamte “Volk Gottes” einzubinden. In Vorbereitungsphasen sollten alle interessierten Katholikinnen und Katholiken weltweit ihre Sorgen und Wünsche an die Kirche zum Ausdruck bringen. Die Ergebnisse flossen in das Arbeitspapier für das aktuelle Vatikan-Treffen ein. Beim eigentlichen Ereignis stehen aber auch sie vor verschlossenen Türen.