Die planmäßige Ermordung behinderter und kranker Menschen wurde von Adolf Hitler selbst angeordnet. Sie begann mit der „Kindereuthanasie“, die auf einen geheimen Erlass des Innenministeriums vom 18. August 1939 zurückging.
Sämtliche Kinder mit bestimmten „schweren, angeborenen Leiden“ mussten an einen „Reichsausschuss zur Erfassung von erb- und anlagebedingtem schweren Leiden“ gemeldet werden – eine Tarnorganisation, die die Tötungen später organisierte. Es entstanden über 30 Kinderfachabteilungen an Heil- und Pflegeanstalten, in denen bis 1945 nach vorsichtigen Schätzungen bis zu 8000 Kinder und Jugendliche ermordet wurden.
Parallel dazu liefen die Vorbereitungen der Erwachsenen-Euthanasie an. Dazu wurde eine Sonderbehörde unter Reichsleiter Philipp Bouhler und dem Arzt Karl Brandt geschaffen. Sitz der Behörde: Berlin, Tiergartenstraße 4 – daher der Name der „Aktion T4“. Die Befugnisse von Ärzten wurde so erweitert, „dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Begutachtung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann“, wie es im zynischen NS-Jargon hieß. Tatsächlich wurden sie in Tötungsanstalten vergast oder mit einer Giftspritze ermordet, die Leichname eingeäschert.
Neben weiteren Tarnorganisationen entstand auch die Gemeinnützige Kranken-Transport-Gesellschaft (Gekrat). Sie war zuständig für den Abtransport der Behinderten in die Tötungsanstalten in ihren berüchtigten grauen Bussen.
Sechs Anstalten. Sechs Orte der Grausamkeit
Zunächst wurden Informationen über sämtliche Einrichtungen gesammelt, in denen psychisch kranke und behinderte Menschen lebten. Die Auflistung dieser Einrichtungen war Voraussetzung, um ab Herbst 1939 Meldebögen zu verschicken, auf denen die Opfer klassifiziert wurden. Bis zum Sommer 1940 erhielten nahezu 1000 Heime Post aus Berlin.
Noch während die Meldebogenaktion lief, versuchten die Mitarbeiter der „T4“, Einrichtungen zu finden, in denen die eigentliche Ermordung erfolgen sollte. Die Wahl fiel auf sechs Anstalten: Brandenburg, Grafeneck in Württemberg, Hartheim bei Linz, Sonnenstein bei Pirna, Bernburg/Saale zwischen Magdeburg und Halle und das mittelhessische Hadamar.
Die Meldebögen bildeten die Grundlage, auf der die Heilanstalten und Heime aufgefordert wurden, Bewohner zu verlegen. Die Bögen gingen an die Gemeinnützige Krankentransport GmbH, die die Transportlisten erstellte – dann rollten die grauen Busse. „Trotz aller Versuche der Geheimhaltung war die Kenntnis über die durchgeführten ‚Euthanasieverbrechen‘ weit verbreitet. Die Arbeit der Tötungsanstalten konnte nicht unbemerkt bleiben. Die ständige Fahrt von besetzten Bussen und der Rauch der Krematorien über den Anstalten sprachen für sich“, so Historiker und Archivar Harald Jenner.
Das „Euthanasieprogramm“ endete offiziell am 24. August 1941, bis dahin waren rund 70 000 Patienten ermordet worden. Fortan geschah das Töten dezentral und dauerte bis Kriegsende an. Nach Schätzungen wurden zwischen 200 000 und 300 000 Menschen ermordet. epd