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Therapeut appelliert an Jugendliche: Mehr Mut zu analogen Beziehungen

Mit Blick auf den „Internationalen Tag der Freundschaft“ am Dienstag (30. Juni) appelliert der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Götz Schwope an junge Erwachsene, Unsicherheiten zu überwinden und auf andere Menschen zuzugehen. Der Generation Z, die jetzt in Ausbildung und Studium starte, falle das oft nicht leicht, sagte Schwope im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Es ist die erste Generation, die sehr viel Zeit am Bildschirm verbracht hat und dadurch eher zum Zuschauer des Lebens geworden ist, anstatt aktiv Beziehungen zu anderen einzugehen.“

Soziale Kontakte und Freundschaften haben Schwope zufolge eine wichtige Bedeutung für ein glückliches Leben. Der Mensch sei „kein Einzelkämpfer, sondern ein Herdentier“. Biologisch betrachtet, bedeute die Gruppe für den Menschen Schutz, etwa vor Gefahren und Krankheiten. „Das Bindungshormon Oxytocin wird ausgeschüttet, wenn ich soziale Bindungen eingehe und Freundschaften pflege, meine Resilienz wird gestärkt“, erläuterte Schwope, der seit 25 Jahren als Jugendtherapeut im niedersächsischen Stadthagen praktiziert und im Vorstand der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen aktiv ist.

Der Therapeut appelliert an junge Menschen, sich nicht in der digitalen Welt zu verlieren, sondern Kontakte in der analogen, echten Welt zu suchen. Wer in einer anderen Stadt ein Studium oder eine Ausbildung aufnehme, solle offen und neugierig auf andere zugehen und Kontakte knüpfen. „Egal, was an Aktivitäten angeboten wird, ich kann nur empfehlen: Immer hingehen, sich zu Gruppen dazustellen, einfach mal ‘Hallo’ sagen, eine Frage stellen, ins Gespräch kommen. Alles andere ergibt und entwickelt sich von allein.“

Einer im März veröffentlichten Umfrage der Bertelsmann Stiftung zufolge fühlen sich knapp die Hälfte (46 Prozent) der befragten 16- bis 30-Jährigen einsam. In dieser Altersgruppe geben 35 Prozent an, „moderat einsam“ zu sein und rund 10 Prozent sogar „stark einsam“.

Wer schüchtern und introvertiert sei und Angst vor unbekannten Situationen und Menschen habe, müsse sich klar machen, dass das nicht ungewöhnlich sei. „Den anderen geht es wahrscheinlich nicht anders“, sagte Schwope. Es sei wichtig, sich vor Augen zu führen, dass die in diesem Moment empfundene Unsicherheit nur ein Aspekt einer vielfältigen Persönlichkeit sei. „Es gibt nicht das eine ‘Ich’ – ich bin mehr als meine Angst“, unterstrich er.

Grundsätzlich gelte für das Kennenlernen neuer Menschen, was generell im Leben gelte: „Wir können immer das gut, was wir geübt haben und regelmäßig tun“, sagte Schwope. Der Umgang mit anderen Menschen könne gelernt werden. „Meine Botschaft ist deshalb: Sei offen, vertrau’ Dir selbst und hab’ Geduld.“