Der Göttinger Theologe Wolfgang Reinbold glaubt, dass auch religiös ungebundene Menschen von einer Zeit der inneren Einkehr in der am Mittwoch beginnenden Fastenzeit profitieren können. Entsprechende Angebote wie Fastenseminare in Kirchengemeinden und Stille Zeiten in Klöstern richteten sich längst nicht mehr nur an ein frommes Publikum, sagte der Professor für Neues Testament an der Universität Göttingen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die körperlichen, seelischen und spirituellen Aspekte des Fastens würden heute oft nicht mehr klar voneinander angegrenzt. Das bewiesen etwa viele der immer beliebter werdenden Fastenzeit-Angebote der Klöster. „Nehmen Sie beispielsweise ein Angebot wie ‘Fasten und Einkehr’, das von einem christlichen Kloster angeboten, von einer Ayurveda-Therapeutin und einer Meditationslehrerin geleitet und mit dem Motto ‘Fasten zur Stärkung Ihrer Selbstheilungskräfte’ beworben wird“, sagte Reinbold. „Da könnten wir lang diskutieren, wo das Religiöse aufhört und das Säkulare beginnt.“
Fastenzeit: Klare Ausrichtung auf den inneren Sinn
Der Theologe erläuterte, die im Christentum gebräuchliche Fastentradition der „inneren Einkehr“ stamme vor allem aus der mittelalterlichen Mystik, deren Ziel es sei, „dass die Seele eins mit Gott beziehungsweise mit Christus wird.“

Die Bibel beschreibe ein derartiges Konzept noch nicht, weise aber schon darauf hin, dass das Fasten „keine Show“ für andere sei, sondern einzig für Gott geschehe. „Diese klare Ausrichtung auf den inneren Sinn des Fastens und gegen die Selbstdarstellung ist insbesondere für die evangelischen Kirchen grundlegend geworden“, führte Reinbold aus.
Dies habe dazu dazu geführt, dass es heute viele Möglichkeiten und Angebote zur inneren Einkehr gebe. Als Beispiel nannte er die Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die in diesem Jahr unter dem Motto „Luft holen – Sieben Wochen ohne Panik“ steht. Die Aktion sei eine Einladung, in einer extrem angespannten und ereignissreichen Zeit voller „Bad News“ durchzuatmen und Erdung und Zuversicht zu bewahren.