Der leitende Theologe der evangelischen Kirche in Bonn, Superintendent Dietmar Pistorius, warnt vor einem Wahlkampf auf Kosten geflohener und zugewanderter Menschen. In einem offenen Brief an die Politik ruft er vor dem Hintergrund der bevorstehenden Bundestagswahlen im Februar dazu auf, stattdessen Probleme differenziert zu benennen und Lösungen vorzuschlagen, wie die evangelische Kirche Bonn am Dienstag mitteilte. Es könne nicht darum gehen, „den kurzfristigen Erfolg bei einer Wahl mit einem langfristigen gesellschaftlichen Schaden einzukaufen“, schreibt Pistorius in diesen Tagen an alle Abgeordneten und Kandidaten aus Bonn und der Region für Bundestag, Landtag und kommunale Parlamente.
Mit dieser Art der Diskussion werde auch die wertvolle Arbeit vieler Haupt- und Ehrenamtlicher in der Flucht- und Migrationsarbeit diskreditiert und setze sie zunehmend unter Druck, mahnt Superintendent Pistorius. Er habe „große Sorge“ um die Mitarbeitenden und die Einrichtungen der Geflüchteten- und Migrationsarbeit sowie der Integrationsagenturen.
Pistorius unterstrich die Bedeutung des Kirchenasyls in Härtefällen. Die evangelische Kirche gehe mit dem Kirchenasyl „sehr sorgsam und in gutem Kontakt mit den Behörden“ um. Im Kirchenkreis Bonn seien bislang alle durchgeführten Kirchenasyle erfolgreich verlaufen.
Ausdrücklich bittet der Bonner Superintendent, die Situation zum Christentum Konvertierter aus dem Iran zu berücksichtigen. Diese Menschen seien im Iran mit schwersten Repressionen bis hin zur Todesstrafe bedroht. In Bonn gibt es in der Kreuzkirchengemeinde in der Innenstadt eine große Gruppe von iranischen Christen. Ihre Taufe werde von den Gerichten nicht als Konversion anerkannt, sondern einer eigenen Prüfung unterzogen. Das sei ein „höchst fragwürdiges Vorgehen und eine schwere Belastung des Verhältnisses von Staat und Kirche“, kritisierte Pistorius.
Die Kreissynode Bonn hatte auf ihrer Tagung im November mit großer Mehrheit eine Erklärung zu diesem Thema verabschiedet vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen Erfahrungen der evangelischen Kirche in Bonn in der Arbeit mit Flüchtlingen, Asylsuchenden und Zuwanderern. Darin verwahrt sich das evangelische Kirchenparlament aus Bonn „ausdrücklich gegen pauschalisierende und herabwürdigende Parolen“ und appelliert an die Politik, Flüchtlinge, Asylsuchende und Menschen mit Migrationshintergrund nicht zu verunglimpfen und unter Generalverdacht zu stellen.