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Tag 1 bis 3 – Spielplätze für das Heilige Land

Foto: Heinz-Joachim Lohmann An konfliktgeladenen Orten in der Welt bauen junge Menschen Regenbogen-Spielplätze. Derzeit findet solch ein internationales Work-Camp in Israel statt. Doch als die Raketen flliegen, reist das deutsche Leitungsteam erst einmal ohne die jungen Leute an, um die Lage zu prüfen. Heinz-Joachim Lohmann, Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin, schildert seine Eindrücke in einem täglich erscheinenden Blog.

Text und Foto vonHeinz Joachim Lohmann

Vorgeschichte:Die Geschichte von Regenbogen beginnt 1998 in Soweto. Ein Pfarrer aus Lübeck in Schleswig-Holstein und einer aus Niedergörsdorf in Brandenburg beschlossen gemeinsam mit einer gemischten Jugendgruppe aus West- und Ostdeutschland ein Workcamp in Südafrika durchzuführen, um sich den Fragen von Teilung und ihrer Überwindung zu stellen. Bei der Vorbereitungsreise wandelte sich das Workcamp in die Vision, einen Spielplatz zu bauen im kinderreichen, aber an kreativen Beschäftigungsmöglichkeiten armen ehemaligen Township von Johannesburg. Im damaligen Kirchenkreis Jüterbog ließ sich das die geeignete Firma SIK-Holz in Langenlipsdorf besitzende und kirchlich engagierte Ehepaar für die Idee begeistern.

Der Spielplatz entwickelte sich zum Symbol Regenbogen. Das stand zunächst für die unter Nelson Mandela erwachende Regenbogennation. Die Lektüre der Noahgeschichte fügte das die ganze Erde vereinigende Band des Friedens und das Versprechen des Schutzes nach einer schwierigen Zeit hinzu. Das Symbol erwies sich als stark und verbindend. Auf Soweto folgten viele Stationen und mehr oder weniger konfliktbeladene Orte. Immer waren Menschen aus Südafrika beteiligt. Im Laufe der Jahre erlebte die sich wandelnde und doch auch gleichbleibende Gruppe aus Teilnehmenden und Verantwortlichen, dass nicht nur hölzerne Regenbögen entstanden, sondern auch ein menschlicher Regenbogen, der Männer und Frauen aus vielen Ländern miteinander verbindet.

Das zwölfte Projekt findet ab morgen in Israel statt. Seitdem sich der Spielplatz in ein Symbol wandelte, war das Heilige Land ein Sehnsuchtsort: Die Landschaft der meisten Urgeschichten unseres Glaubens, Jerusalem als Ziel der Völkerwallfahrt und Bild der ewigen Stadt und aktuell der Schauplatz eines der verworrensten und scheinbar unauflösbarsten Konflikte unserer Zeit.

Vorbereitung:

Die Vorbereitungen laufen seit vielen Wochen. Ende Juni fand ein Treffen mit allen deutschen Teilnehmenden statt, an dem wir uns mit Israel unter verschiedenen Aspekten auseinandersetzten. Am Intensivsten ist die Diskussion über den Umgang mit der deutschen Vergangenheit. Während die Älteren durchgängig eine Verantwortung gegenüber deutscher Schuld empfinden, fühlen sich die Jüngeren eher frei von diesem Zusammenhang, aber als Teil einer Welt, die sie aktiv mitgestalten möchten unter den Perspektiven von Frieden und Gerechtigkeit. Wir diskutierten die Entführung der drei Jugendlichen, deren Ausgang zu diesem Zeitpunkt völlig offen war.

Zum Projekt gehört ein Container mit Material und Werkzeug, der sich bereits auf der Reise befand. Die Flüge waren gebucht. Alle freuten sich auf ein Projekt in einer nicht ganz einfachen Situation, aber im Kontakt mit Menschen aus den unterschiedlichen Gruppen, die Teil des Konfliktes sind. Ich glaube, wir alle hatten weniger den Gedanken, wirklich etwas Substantielles zur Lösung des Konfliktes beitragen zu können als die Hoffnung, die Situation besser verstehen zu lernen.

Freitag, der 11.7.

Die entführten jüdischen Schüler starben durch Mörder, ebenso ein arabischer junger Mann. Israel beschuldigt die in Gaza herrschende Hamas, als Mörder des arabischen Opfers erweisen sich radikale Israelis. Hamas sendet Bomben nach Israel, die Israelis greifen Ziele im Gaza-Streifen an.

Die Warnungen vor der Durchführung des Projektes nehmen zu. Menschen, die die Situation in Israel kennen, erklären, dass im Landesinnern aus unterschiedlichen Gründen keine Gefahr besteht Kurz vor Beginn halten auch Eltern der teilnehmenden deutschen Jugendlichen die Reise für zu gefährlich. Deshalb entscheiden wir als Leitungsteam, zunächst ohne die jungen Erwachsenen aus Deutschland und Polen aufzubrechen, um uns selbst ein Bild von der Situation zu machen. Auf der einen Seite halten wir es für notwendig, gerade in der gegenwärtigen unüberschaubaren und aussichtslos scheinenden Situation ein Zeichen des Gesprächs und des Miteinanders zu setzen. Auf der anderen Seite fühlen wir, dass wir die Verantwortung für die gesamte Gruppe nur tragen können, wenn wir uns sicher sind, keine unüberschaubaren Risiken einzugehen.

Samstag, der 12.7.

Wir fliegen um 14 Uhr ab Berlin-Schönefeld. Die Maschine ist nur zu ungefähr einem Drittel besetzt. In Tel Aviv landen wir pünktlich. Der Weg durch Passkontrolle und Zoll bringt keine besonderen Ereignisse mit sich.

Unser Ziel befindet sich ungefähr hundert Kilometer nördlich: Bustan Nof Meshutaf in Mizpe Aviv, ein Garten, der in Erinnerung an einen durch einen Selbstmordattentäter getöteten jüdischen jungen Mann entstanden ist und der Versöhnung zwischen den verschiedenen in Israel lebenden Bevölkerungsgruppen dient. Er wurde von seinen Eltern Amiram und Tilda angelegt, die sein sinnloses Sterben in einem öffentlichen Bus, in dem ein Querschnitt aller in Israel vertretenen Bevölkerungsgruppen unterwegs war, für sich als Ausgangspunkt für einen Weg zur Versöhnung nahmen.

Mizpe Aviv liegt in der Region Israels, in der jüdische und arabische Siedlungen dicht beieinander liegen. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind alle im Besitz der israelischen Staatsbürgerschaft.

Wir reisen zur Stunde der bisher heftigsten Angriffe von Raketen aus dem Gaza-Streifen auf Tel Aviv. Einmal hören wir einen Alarm, verlassen kurz die Autobahn, halten an einem Einkaufszentrum, verlassen auf Anweisung von Amir, unserem Wegweiser das Auto und gehen gemächlich mit vielen anderen ins Innere. Fünf Minuten später begeben wir uns entspannt mit allen anderen in unser Fahrzeug zurück und setzen die Reise fort. Das Raketenabwehrsystem „Iron Dome“ sorgt dafür, dass in den Städten keinerlei Panik entsteht, weil es bisher alle Angriffe wirkungslos macht. Amir erzählt uns, dass seine Mutter Angst hatte, ihn teilnehmen zu lassen, weil das Projekt im ländlichen Raum ohne diesen Schutz stattfindet. Am Ende verständigten sie sich, dass das Risiko kalkulierbar ist.

Sonntag, der 13.7.

Beim ersten Treffen im Bustan berichten wir, warum wir erst mal ohne Junge Leute gekommen sind, wir aber beabsichtigen, sie am kommenden Donnerstag nachzuholen, wenn wir den Eindruck haben, dass wir es vertreten können. Bei den anderen Teilnehmenden entsteht große Enttäuschung. Sie erklären, dass sie das Projekt gerade in dieser Situation für wichtig halten. Ihre Motivation ist, dass sich arabische und jüdische Jugendliche gemeinsam mit Menschen anderer Nationen besser kennenlernen. Die Südafrikander erzählen, trotz ähnlicher Bedenken gereist zu sein, weil sie den Regenbogen gerade in der gegenwärtigen Situation für ein wichtiges Zeichen halten. Mostafa stellt fest, dass wir uns in der sichersten Gegend von Israel befinden, weil Araber und Juden hier gemeinsam leben und niemand seine eigenen Leute angreifen möchte.

Während die Mehrheit der Gruppe zum Endspiel der FußballWM unterwegs ist, besucht uns der Vater von Saja, einer israelisch-arabischen Teilnehmerin. Er lädt unsere Gruppe zum Fastenbrechen am Ramadan ein und erklärt, dass es für ihn keine Alternative zum Zusammenleben von Juden und Arabern in Israel gibt. Dazu muss der arabische Teil die Sicherheitsbedürfnisse der Juden anerkennen und die Juden gleiche Zugangsrechte zu Ausbildung, Arbeit und Einkommen garantieren. Eine gemeinsame Ramadan-Feier mit einer international und interreligiös zusammengesetzten Gästegruppe wäre ein starkes Zeichen für mögliche Kommunikation über Grenzen hinweg und die Alternativlosigkeit von gutem Zusammenleben. Zu diesem Treffen möchte er auch den jüdische und der arabische Teil des Gemeinderates einladen. Wir sagen erfreut zu und sind gespannt auf den Abend in der kommenden Woche.

Der Sieg der deutschen Nationalmannschaft in der WM wird in den umliegenden Dörfern mit Feuerwerk gefeiert.