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«Der Täter ist kein Held»

Experten unterstreichen Bedeutung von Prävention an Schulen. Medien sollten ihre Berichterstattung überdenken

K.- P. Adler - Fotolia

Köln/Nürnberg/Münster – Um einen Amoklauf wie in München zu verhindern, ist nach Einschätzung des Kriminalpsychologen Rudolf Egg verstärkte Prävention an Schulen wichtig. Es gehe darum, wie man sich um diejenigen kümmern könne, «die so isoliert sind, die keiner kennt, die vielleicht auch keiner mag, die man ausgrenzt», sagte der Nürnberger Kriminalpsychologe am Montag im WDR-Radio. Die Frage sei, wie diese Menschen besser integriert werden könnten. Dabei gehe es nicht um Schläger oder auffällige Schüler, die ohnehin im Blick stünden, sondern um die, «die neben der Spur laufen».

In vielen Schulen habe man sich zusammengesetzt, um dafür Strategien zu entwickeln, erklärte der Kriminalpsychologe. «Ich bin der festen Überzeugung, dass wir durch diese Präventionsarbeit sehr viele Amoktaten und auch Suizide verhindert haben», sagte der Kriminalpsychologe. Das werde allerdings nicht wahrgenommen: «Eine Tat, die nicht vollzogen wird, die taucht nirgendwo auf.»

Leider gebe es jedoch immer wieder Ausnahmen wie im aktuellen Fall in München. Dort hatte ein 18-jähriger Schüler, der offenbar unter psychischen Problemen litt und sich seit Sommer vergangenen Jahres auf seinen Amoklauf vorbereitet hatte, am Freitagabend in einem Einkaufszentrum neun Menschen erschossen und sich anschließend selbst getötet.

Auch wenn es Signale für Gewalt bei Jugendlichen gebe, sei es keine einfache Entscheidung, wie damit umzugehen sei, erläuterte Egg.

Der ehemalige Direktor der Kriminologischen Zentralstelle des Bundes und der Länder plädierte dafür, dass man sich um einen Betroffenen kümmern solle, «zunächst einmal ernst nehmen, dass er in einer krisenhaften Situation» sei.

Wenn es wirklich eine große Gefahr gebe, sollte natürlich auch die Polizei eingeschaltet werden.

Auch die Medien können nach Meinung von Experten mit ihrer Berichterstattung über Gewalt, Amokläufe und Terror im schlimmsten Fall Nachahmer auf den Plan rufen. Die Berichterstattung schaffe Recherchequellen für spätere Täter, sagt Robert Kahr, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule der Polizei in Münster, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er ist Mitherausgeber des Buchs «Die mediale Inszenierung von Amok und Terrorismus».

Betroffene Menschen nähmen ihre Umwelt als feindlich wahr, flüchteten in Gewaltfantasien und statteten diese immer mehr aus, erklärt Kahr. Dabei suchten sie auch nach Vorbildern und da spiele die Berichterstattung in den Medien eine Rolle. «Im Laufe dieser Entwicklung kommt eine Recherchephase nach Vorbildern: 'Was haben andere Menschen gemacht, die in einer ähnlichen Situation wie ich waren?'», sagt Kahr. Der Attentäter von München habe sich intensiv mit dem Amoklauf von Winnenden 2009 und dem Mörder Anders Breivik beschäftigt.

Besonders Amokläufer an Schulen inszenierten sich als düsterer Held oder starker Rächer an den vermeintlichen Peinigern und lieferten damit Identifikationsangebote, sagt Kahr weiter. Der Amoklauf diene dabei als Kommunikationsstrategie, um die eigene Botschaft zu verbreiten. «Und dafür liefern die Medien sozusagen den Sauerstoff.»

Das heißt nicht, dass Medien gar nicht berichten sollen. Aber sie können einiges tun, um keine Inspirationen für Nachahmer zu schaffen.

So sollten sie auf vereinfachende Erklärungen verzichten, erklärt Kahr: «Das ist eine hochkomplexe Tat, die viele Jahre lang gegärt hat.» Ein einziger Grund für den Gewaltausbruch sei dann nicht zu bestimmen. Die Tat dürfe außerdem nicht romantisiert und nicht zu konkret dargestellt werden.

Die Medien sollten auch auf emotionales Bildmaterial verzichten, um die Fantasien von Nachahmungstätern nicht noch weiter anzuregen.

Auch einige Empfehlungen für die Berichterstattung hat Kahr.

Journalisten sollten die Folgen der Tat in den Mittelpunkt rücken, die Trauer der Hinterbliebenen darstellen. «Der Täter ist kein Held. Helden sind Menschen, die mit der Tat umgehen müssen.» Die Medien könnten auch Auswege aus Lebenskrisen zeigen, darstellen, dass andere Menschen Wege zu einer gewaltlosen Lösung gefunden hätten. Auf die Verbreitung von Gerüchten sollte verzichtet, Opfer und Hinterbliebene nicht zu Stellungnahmen gedrängt werden.

Als Richtschnur empfiehlt Kahr, sich die Frage zu stellen, was der Täter gewollt habe. Und sich dann nicht instrumentalisieren zu lassen.