Hass und Gewalt im Internet. Viele Nutzer und Nutzerinnen werden im Netz beleidigt und bedroht. Die Folge: Sie ziehen sich mehr und mehr zurück. Ministerin Paus will deshalb strengere gesetzliche Vorgaben.
Jeder Zweite schränkt laut einer Umfrage wegen Hass im Netz seine Internetnutzung ein. Besonders betroffen seien junge Frauen, die in sozialen Netzwerken sexuelle Übergriffe erführen, heißt es in der am Dienstag in Berlin vorgestellten Untersuchung. Auch Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund und queere Menschen seien dort vermehrt Gewaltandrohungen und Beleidigungen ausgesetzt.
Die Studie mit dem Titel “Lauter Hass – leiser Rückzug” wurde vom “Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz” durchgeführt. Demnach ist jede zweite Person schon mal online beleidigt worden. Ein Viertel der Befragten sei mit körperlicher Gewalt und 13 Prozent mit sexualisierter Gewalt konfrontiert worden. Mehr als die Hälfte der Befragten bekennt sich aus Angst im Netz seltener zur eigenen politischen Meinung (57 Prozent), beteiligt sich seltener an Diskussionen (55 Prozent) und formuliert Beiträge bewusst vorsichtiger (53 Prozent).
86 Prozent der Befragten finden, dass Social-Media-Plattformen mehr Verantwortung übernehmen müssten. 79 Prozent stimmten der Aussage zu, dass diese Plattformen auch finanzielle Verantwortung für die durch Hass im Netz entstehenden gesellschaftlichen Schäden tragen sollten. Befragt wurden nach Angaben 3.000 Internetnutzer in Deutschland ab 16 Jahren.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) erklärte, Hass im Netz sei allgegenwärtig und stelle eine Bedrohung für die Demokratie insgesamt dar. Wenn im Netz beleidigte Menschen sich seltener äußerten, unterlaufe das auch die Debattenkultur. Derzeit sei es auch so, dass der Algorithmus Hass belohne. Das dürfe nicht sein, so die Ministerin. Es brauche mehr gesetzliche Regelungen.
Sie verwies in diesem Zusammenhang auf den EU-weiten Digital Services Act, der ab Samstag alle digitalen Dienstleister, vor allem Online-Plattformen, zu mehr Schutz und Transparenz für Verbraucher verpflichtet. Bereits seit dem 25. August 2023 müssen zudem sehr große Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen Nutzern pro Monat in der EU erste Vorgaben umsetzen: etwa neue Transparenzregeln und Beschwerde-Möglichkeiten. Für einen Vollzug müssten die Behörden “jetzt auch in die Lage kommen, da tatsächlich zu arbeiten”, sagte Paus weiter. Außerdem sei konkrete Hilfe für betroffene Menschen wichtig, damit sie ihr Recht auch durchsetzen könnten.
Zudem habe die Bundesregierung bereits Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vorgelegt, so Paus weiter. Auch dadurch sollten die Rechte von Nutzern gestärkt werden. Weiter hoffe sie, dass der Bundestag in Kürze das Demokratiefördergesetz verabschiedet. Damit sollen nach dem Willen von SPD und Grünen Projekte zur Demokratieförderung verlässlich und bedarfsgerecht gefördert werden. Allerdings hat die FDP Vorbehalte gegen das geplante Gesetz bekräftigt. Der Gesetzentwurf wurde bereits Ende 2022 vom Bundeskabinett beschlossen und im Frühjahr vergangenen Jahres in erster Lesung in den Bundestag eingebracht. Seitdem liegt das Projekt auf Eis.