Antisemitismus ist ein globales Phänomen – und er wächst offenbar. Eine neue Studie zeigt in vielen Ländern erschreckend viel Zustimmung zu judenfeindlichen Aussagen. Auch in Deutschland gibt es teils Grund zur Sorge.
Fast die Hälfte aller Menschen weltweit vertritt antisemitische Einstellungen. Das geht aus der jüngsten Umfrage “The ADL Global 100” hervor, die von der Anti-Defamation League (ADL) am Dienstag (Ortszeit) in New York veröffentlicht wurde. Demnach hegen 46 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung – schätzungsweise 2,2 Milliarden Menschen – “tief verwurzelte antisemitische Einstellungen”. Dies sei mehr als doppelt so viel wie bei der ersten weltweiten Umfrage vor einem Jahrzehnt und der höchste Wert, seit die US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation den globalen Trend untersucht.
Die Umfrage ergab unter anderem, dass ein Fünftel der Erwachsenen weltweit noch nie etwas über den Holocaust gehört hat. Weniger als die Hälfte (48 Prozent) erkennt die historische Genauigkeit des Holocaust an, bei den 18- bis 34-Jährigen sinkt dieser Wert auf 39 Prozent.
Jeweils etwas mehr als die Hälfte der Befragten stimmt der Aussage zu, dass Juden nur gegenüber dem Staat Israel loyal seien und zuviel Einfluss auf die Geschäftswelt hätten. Fast 50 Prozent sind der Ansicht, dass Antisemitismus mit dem Verhalten von Juden selbst zu erklären sei.
Der Umfrage zufolge zählen das Westjordanland und der Gazastreifen, Kuwait und Indonesien mit jeweils fast 100 Prozent zu den Ländern und Gebieten mit den höchsten Antisemitismus-Werten. In Schweden, Norwegen, Kanada und den Niederlanden sind sie mit jeweils unter 10 Prozent am niedrigsten. Deutschland steht auf dem siebten Platz der Länder mit dem wenigsten Antisemitismus. Drei Viertel der Deutschen halten demnach den Holocaust für eine historische Tatsache, die “fair beschrieben” werde. Allerdings stimmt ein knappes Drittel der Aussage zu, Jüdinnen und Juden würden zu viel über die NS-Verbrechen sprechen.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte der Zeitung “Die Welt” (Mittwoch): “Offener Antisemitismus ist in Westeuropa ein Alltagsphänomen – das ist bedrückend.” Schuster begrüßte zwar die “gesellschaftliche Norm”, die in Deutschland bei der Bewertung von NS-Verbrechen gelte, doch wirklich beruhigen könne dies angesichts hoher Zahlen antisemitischer Vorfälle nicht.