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Stigmata

Das griechische Wort stigma bedeutet Stich oder Wundmal. Ursprünglich verweist es auf Tätowierungen als Körperschmuck oder Brandzeichen auf Tieren, Gefangenen und Sklaven, die so als Eigentum markiert wurden. Religiös meint Stigmatisierung eine Ausprägung der “Wundmale Jesu” auf lebende Menschen, ohne dass eine äußere Einwirkung zugrunde liegt.

Stigmata können verschiedene Formen haben und an allen Körperstellen auftreten, die wie Geißelung oder Kreuzweg mit dem Leidensweg Jesu in Verbindung stehen. Sie können zeitweise bluten, etwa am Karfreitag. Die Wunden eitern nicht, lassen sich aber auch nicht therapieren. Stigmatisierte neigen zu Ekstasen und Visionen, oft leben sie angeblich ohne Nahrung.

Historisch bezeugt sind Stigmatisationen erst ab dem 13. Jahrhundert mit dem Aufkommen der christlichen Wertschätzung des Leidens. In der Textsammlung “Imitatio Christi” (1426) wird die Nachfolge des Schmerzensmanns als höchstes Ziel mittelalterlicher Frömmigkeit greifbar. In der Folge kam es zu Selbstgeißelungen und -kreuzigungen sowie zu Exzessen bei Passionsspielen.

Franz von Assisi (um 1181-1226) war der erste und einer der prominentesten namentlich aktenkundigen Stigmatisierten, über deren Gesamtzahl Unklarheit besteht. Zu den Bekanntesten zählen Teresa von Avila (1515-1582), Anna Katharina Emmerick (1774-1824), Therese Neumann (1898-1962) und Pater Pio (1887-1968).

Die Kirche schwankte bei prinzipieller Offenheit für Wunder in ihrem Urteil, sprach aber inzwischen mehrere Stigmatisierte selig oder heilig. Die Bestreitung der Echtheit des Phänomens war ein beliebtes Mittel in kirchenpolitischen Auseinandersetzungen. Von staatlichen oder kirchlichen Kommissionen veranlasste Untersuchungen wurden fast immer unter entwürdigenden Bedingungen durchgeführt.

Medizinisch kommen Hypnose und Autosuggestion als Ursachen in Betracht. “So könnte bei entsprechender Sensibilität die Versenkung in das Leiden Jesu zu Stigmatisierung führen, motiviert durch schlichtes Ergriffensein, durch Selbstbestrafungstendenzen oder durch hysterische Geltungs- und Erlebnisbedürfnisse”, heißt es im “Lexikon für Theologie und Kirche”. Möglich erscheint auch, dass sich Menschen in Ekstase solche Wunden unbewusst selbst zufügen.