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Station der Hoffnung auf dem Ölberg

Das Auguste Victoria Hospital in Jerusalem bietet für Menschen aus den Palästinensergebieten medizinische Versorgung bei Krebs- und Nierenleiden. Doch Finanzengpässe und die israelische Besetzung machen dem „deutschen Krankenhaus“ zu schaffen

© epd-bild / Friedrich Stark

Die großen Augen des kleinen Mädchens sind matt, die Haut ist fahl, die Stimme schwach: Mariam hat Schmerzen. Sie dreht den Kopf mit den schwarzen Löckchen, sie weint. Mariam hatte ihren ersten Geburtstag noch vor sich, da entdeckten Ärzte den Krebs in der linken Niere.

Die kleine Mariam soll gerettet werden

Für das Mädchen aus dem Gaza-Streifen gab es nur eine Option: eine schnelle Operation. Und dafür gab es nur einen möglichen Ort: das Auguste Victoria Hospital, hoch oben auf dem Ölberg in Jerusalem. Ende Juni entfernten die Chirurgen das kranke Organ aus dem kleinen Körper.
Mariam hängt jetzt am Tropf. „Sie muss regelmäßig wiederkommen, für die Chemotherapie“, sagt Khadra Salami, Ärztin auf der Station für krebskranke Kinder. Die Medizinerin hält die linke Hand der Patientin. „Wir werden Mariam retten“, sagt sie und lehnt sich an die wuchtigen, sandfarbenen Steine der 105 Jahre alten Klinik.
Das Auguste Victoria Hospital, das den Namen der letzten deutschen Kaiserin trägt und einst von Deutschen gegründet wurde, ist nicht nur für Mariam eine Hoffnung. Es bietet für Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen die größten und besten Stationen für Krebs- und Nierenleiden. Nur hier können sich Tumor-Patienten bestrahlen lassen. Nur hier erhalten sie eine ausreichende Nachbehandlung. Mehr als 6000 Patienten suchen jedes Jahr Hilfe in der Einrichtung mit nahezu 170 Betten. Verwaltet wird sie heute vom Lutherischen Weltbund.
Die medizinische Versorgung der Palästinenser wird allerdings erschwert durch chronischen Geldmangel. Auch die israelische Besetzung der Palästinensergebiete bringt den Betrieb immer wieder ins Stocken. Einen besonders schweren Schlag erlitt das Hospital im Frühjahr: Der langjährige Chef, Tawfiq Nasser, starb nach langer Krankheit mit nur 50 Jahren. Er wurde 1964 im Auguste Victoria Hospital geboren.
„Tawfiq gab alles für die Patienten. In seinem Sinne führen wir das Krankenhaus weiter“, versichert der amtierende Hospital-Direktor Walid Nammour und zeigt auf die Kranken an der Aufnahmestelle für die Chemotherapie. „Aber wir können längst nicht allen Menschen helfen, die uns brauchen.“
Vor allem die Finanzmisere der Palästinensischen Autonomiebehörde macht dem Auguste Victoria Hospital zu schaffen: Da die meisten Palästinenser sich die teuren Behandlungen nicht leisten können, muss die Behörde einspringen. Nur: „Die Autonomiebehörde kann nicht zahlen“, sagt der Finanzchef Alex Kuttab. Im vergangenen Jahr sind die EU und die US-Regierung eingesprungen. Sie überwiesen dem Krankenhaus zusammen rund 20 Millionen Euro – ohne das Geld wäre der Betrieb auf dem Ölberg zusammengebrochen.

Manchmal geht zu viel Zeit für die Anreise verloren

„Natürlich können wir uns nicht immer auf die Europäer und Amerikaner verlassen“, sagt Klinikchef Nammour. Doch die Abhängigkeit des Hospitals von Geld aus dem Westen wird wohl noch lange andauern. Da ein Ende der Wirtschaftskrise in den Palästinensergebieten nicht in Sicht ist, nimmt die Autonomiebehörde nur wenige Steuern ein.
Zudem ist das Verhältnis zwischen Israel und der Klinik angespannt. Die vielen Kontrollen, Straßensperren und Checkpoints der Israelis in den Palästinensergebieten behindern eine schnelle medizinische Hilfe. „Unsere Patienten aus der Westbank und Gaza brauchen spezielle Genehmigungen, um unser Krankenhaus zu erreichen, da geht viel wertvolle Zeit verloren“, beklagt Nammour. Die Klinikmitarbeiter und israelische Behörden liefern sich jeden Tag einen bürokratischen Kleinkrieg, um grünes Licht für die Krankentransporte zu erhalten.
Auch in anderer Hinsicht hält der Nahostkonflikt die Mediziner in Atem: Als sich im vergangenen Jahr Israelis und die Hamas des Gaza­streifens bekriegten, schickte das Hospital Ärzteteams in das umkämpfte Gebiet. Die Mediziner behandelten Verwundete in Gaza. „Zudem wurden Verletzte in das Hospital nach Jerusalem transportiert und dort versorgt“, sagt Nammour und schaut in den großen Hof mit Palmen.
Auf einem Podest steht eine Statue des letzten deutschen Kaisers, Wilhelm II.. „Mit dem deutschen Kaiser ging es hier los“, erläutert Nammour. Wilhelm hatte bei seiner Reise ins Heilige Land 1898 den deutschen Bewohnern Palästinas den Bau eines Krankenhauses zugesagt. Zwölf Jahre später öffnete das Auguste Victoria Hospital. Viele Palästinenser nennen es noch heute das „deutsche Krankenhaus“.

Das Krankenhaus hat eine bewegte Geschichte

Im Ersten Weltkrieg wurde das Pilger-Hospiz der Auguste-Victoria-Stiftung militärisch besetzt und diente später als Hauptquartier der britischen Mandatsmacht im damaligen Palästina. Nach der Gründung Israels 1948 unterstand das Hospital zunächst dem Roten Kreuz und war Anlaufstelle für palästinensische Flüchtlinge. 1950 dann übernahm es der Lutherische Weltbund in Treuhand-Verwaltung.
„Ja, wir haben eine bewegte Geschichte“, sagt Direktor Nammour. Und Zukunftspläne: Auf einer Freifläche hinter dem Hospital soll eine Station für Palliativmedizin und zur Betreuung älterer Patienten entstehen, wie der Mediziner erzählt. „Wir schauen immer nach vorne. Trotz aller Probleme.“