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Starker Kirchensteuer-Rückgang: Rheinische Kirche am “Kipppunkt”

Die Kirchensteuereinnahmen der Evangelischen Kirche im Rheinland sind im vergangenen Jahr unerwartet stark um sieben Prozent auf 707 Millionen Euro gesunken. Für dieses Jahr wird mit einem Rückgang um weitere zwei Prozent gerechnet, wie Finanzchef Henning Boecker am Donnerstag vor der rheinischen Landessynode in Düsseldorf mitteilte. Der Kipppunkt bei der Kirchensteuerentwicklung sei jetzt erreicht: Es werde bestenfalls noch eine „Seitwärtsbewegung“ mit gleichbleibenden Einnahmen geben.

„Das Geld ist weniger geworden“, sagte Boecker. Daher müssten jetzt die Haushalte in Ordnung gebracht und es müsse gefragt werden, wo ad hoc gekürzt werden könne. Die Synode, das oberste Organ der rheinischen Landeskirche, hatte 2023 einen Doppelhaushalt auch für 2024 beschlossen. Darin bereits eingeplantes Geld fehlt jetzt im Etat. Den Prognosen zufolge ist mit einem Rückgang der Finanzkraft um 21 bis 32 Prozent bis zum Jahr 2035 zu rechnen. „Der Trend wird sich nicht umkehren“, sagte Boecker.

Gründe für den Einnahmeschwund sind nach seinen Worten die hohe Inflation, die schlechte Wirtschaftsentwicklung und die gestiegenen Austrittszahlen, die mit 2,1 Prozent im vergangenen Jahr fast dreimal so hoch waren wie 2017. Zusammen mit den Sterbefällen ergibt das einen jährlichen Mitgliederverlust von gut drei Prozent. Befürchtet werden zudem Sondereffekte durch die Veröffentlichung der Studie über Missbrauch in der evangelischen Kirche am kommenden Donnerstag sowie durch gestiegene Personalkosten, die 4,5 Prozent über der Planung liegen.

Ein weiteres Problem sind die Versorgungslasten für die pensionierten Pfarrer und Kirchenbeamten, die nach Boeckers Worten „immer größer“ werden. Derzeit fließt knapp jeder fünfte Kirchensteuer-Euro (18 Prozent) in die Versorgungskasse. Da in den kommenden sieben Jahren viele Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand gehen und auch die Beihilfe für die Krankheitskosten deutlich steigt, kann das ursprüngliche Ziel nicht mehr erreicht werden, bis 2030 einen Deckungsgrad von 70 Prozent zu erreichen. Im kommenden Jahr müsse die Synode daher entscheiden, ob mehr Geld in die Ruhestandsversorgung gesteckt wird oder ob der angestrebte Deckungsgrad erst später erreicht werden soll, sagte der Finanzchef.

In der Aussprache zum Finanzbericht sagte der Superintendent des Kirchenkreises an Lahn und Dill, Hartmut Sitzler, die Kirche müsse „sehr deutlich umgebaut werden“. Der Theologe riet dazu, den „Druck im Kessel“ als Energie für den Umbau zu nutzen. Boecker nannte vier Fragen für die Zukunft: Es gehe darum, wo die Kirche effizienter werden könne, wo gekürzt werden müsse und wie Austritte verhindert sowie neue Mitglieder gewonnen werden könnten.