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Staatsministerin: Deutsche Akten könnten Streit im Pazifik lösen

Deutsche Gründlichkeit kann ihre guten Seiten haben. So könnten Akten aus der Kolonialzeit helfen, strittige Landfragen von heute auf Inseln im Pazifik zu klären. Davon ist Staatsministerin Katja Keul (Grüne) überzeugt.

Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit im Pazifik sollte genutzt werden, um die dortigen Länder bei ihrem Kampf gegen die Folgen des Klimawandels zu unterstützen. Dafür hat sich die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Katja Keul (Grüne), im Interview mit dem “missio-magazin”, der Zeitschrift des katholischen Hilfswerks missio München, ausgesprochen. So könnten etwa deutsche Akten aus der Kolonialzeit dabei helfen, strittige Landfragen zu klären und Konflikte beizulegen.

Demnächst werde eine Delegation von Experten aus Papua-Neuguinea nach Deutschland kommen, um im Bundesarchiv über mehrere Wochen Akten zu studieren, berichtete Keul: “Wir wissen ja selbst, dass unsere deutschen Vorfahren immer schon sehr akribisch alles dokumentiert haben und deswegen auch viel vorhanden ist an Grundbüchern und an Unterlagen.” Das könne im Pazifik von sehr hohem Wert sein.

Landkonflikte seien hinsichtlich des Klimawandels absolut essenziell, gab Keul zu bedenken. Denn ein großes Problem sei, dass Menschen durch die steigenden Meeresspiegel umgesiedelt werden müssten, von der Küste weg ins Landesinnere. “Und wenn eben ein Dorf sich woanders ansiedelt, wo vielleicht schon andere Menschen leben, muss das sehr behutsam funktionieren, weil es Landnutzungskonflikte noch einmal verschärfen kann.”

Teile von Neuguinea gehörten als “Kaiser-Wilhelms-Land” ab 1885 zum deutschen Kolonialreich der Südsee. Die nördlichen Salomonen-Insel standen ab 1886 unter deutscher Herrschaft. Der Westteil der Samoa-Insel kam als “Deutsch-Samoa” 1900 dazu. Die Gebiete blieben bis zum Ende des Ersten Weltkriegs im deutschen Besitz.

Als Kolonialmacht im Pazifik hat Deutschland nach den Worten der Staatsministerin viel Kultur zerstört. In allen bisher von ihr besuchten Ländern habe sie immer wieder geschildert bekommen, dass es einen Abbruch in der Weitergabe der eigenen oralen Geschichtstradition gegeben habe. In den sogenannten deutschen Schutzgebieten im Pazifik seien zudem viele Menschen getötet worden.

Wie präsent die Kolonialzeit noch heute sei, habe sich anhand ihrer Gesprächspartner in den jeweiligen Staaten gezeigt. Unter ihnen sei fast immer einer mit einem deutschen Urgroßvater gewesen. Bei den Gesprächen werde die Kolonialzeit anfangs meist positiver dargestellt, als sie gewesen sei, sagte die Staatsministerin. Erst nach und nach werde dann klar, “dass natürlich diese Urgroßmütter selten freiwillig ‘Mütter’ geworden sind, sondern dass da oft Gewalt im Spiel war, und dass sich die deutschen Kolonialherren gezielt Töchter von Chiefs genommen haben, um sich damit Autorität und Respekt anzueignen”.