Der Staatskirchenrechtler Stefan Mückl hält die neutrale Vermittlerrolle des Vatikans in möglichen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine für gesichert. “Papst Leo wird die beständige Linie des Heiligen Stuhls beachten, nämlich strikte Neutralität, ohne eine möglicherweise bestehende innere Präferenz erkennen zu geben”, sagte er dem kirchlichen Internetportal domradio.de (Donnerstag). Das Kirchenoberhaupt werde sich bemühen, den Frieden durchzusetzen.
Das Geheimnis und der Erfolg des Vatikans bestehen nach Mückls Worten darin, streng neutral zu sein. “Das war die Linie, die im Ersten Weltkrieg Benedikt XV. verfolgt hatte, im Zweiten Weltkrieg Pius XII. In beiden Fällen haben gleichwohl Konfliktparteien die Neutralität des Papstes in Zweifel gezogen.” Dies sei auch bei Franziskus geschehen, “wo es Stimmen gab, dass er nicht neutral sei”.
Vatikan hat “große informale Macht”
Der Heilige Stuhl habe über die Jahrhunderte hindurch immer wieder in bewaffneten Konflikten vermittelt. “Weil er streng neutral ist, weil er auch keine weltliche Macht (mehr) hat, eignet er sich dadurch ganz besonders als Vermittler.” Der Papst sei heute eine weltweit geachtete moralische Instanz, keine relevante politische Größe wolle es sich mit ihm und dem Heiligen Stuhl verscherzen, so der Priester und Professor für Kirchenrecht an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom. Deshalb habe der Heilige Stuhl sehr große informale Macht. “Die Zeiten, in denen Stalin spöttisch fragte, wie viele Divisionen der Papst habe, sind vorbei.”

Kritischer hatte sich am Mittwoch die Ostkirchen-Expertin Regina Elsner geäußert. Zwar habe der Vatikan im Krieg zwischen beiden Staaten keine politischen, militärischen und wirtschaftlichen Interessen und sei insofern “sicher ein guter Partner”, sagte die Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Universität Münster domradio.de. Und es gebe Chancen, dass die Kirchenzentrale gemeinsam mit Italien als neutraler Verhandlungsort akzeptiert werde.