Von Gunnar Lammert-Türk
Frau Krahn, Ihre Fotoinszenierungen sind meist an christlichen Motiven orientiert. Die Marien-Ikonographie taucht immer wieder auf. Sie haben die Pieta neu interpretiert. Nun steht im Zentrum Ihrer Foto-Video-Installation „Leidenschaften/Passioni“ das Bild „Das letzte Abendmahl“. Wie sind Sie mit diesem Thema in Berührung gekommen?„Das letzte Abendmahl“ ist für eine Gruppenausstellung entstanden, in der jeder Künstler ein Nahrungsmittel zugeschrieben bekam, und ich hatte das wunderbare Thema „Brot“. Daraufhin habe ich mit den Bäckern von Matera, den ganz berühmten aus Italien, angefangen zu arbeiten und hab mir von ihnen kiloweise Mehl schicken lassen. Es war klar, ich musste am letzten Abendmahl arbeiten, es ging um das Brot. Mit dem Bild ist damals auch ein Objekt entstanden, eine Hostie, die ich aus dem Matera-Mehl gebacken habe. Darauf ist vorn der vitruvianische homo da Vinci dargestellt, der perfekte Mensch, wie auf dem italienischen Ein-Euro-Stück. Die Hostie und das Abendmahlbild wurden dann gemeinsam ausgestellt. Die Hostie ist diesmal nicht dabei. Ihr Bild schmückt als Wallpaper wie eine zweite Haut den Altarraum. Beim Titel „Das letzte Abendmahl“ erwarten die Betrachter, Jesus und die Jünger zu sehen, den Lieblingsjünger Johannes an der Brust seines Herrn, den Verräter Judas, die Aufregung nach der Ankündigung des Verrats. Nichts davon hier. Wenn ich mir ein Bild vorstelle, dann ist es schon recht klar und in diesem Fall, als ich an das letzte Abendmahl gedacht habe, war da keiner, abgesehen von der Taube. Das, was man sowieso weiß, habe ich weggelassen. Es geht mir darum, Bilder, die wir alle ganz klar im Kopf haben wie eben eine Madonna, eine Pieta, das letzte Abendmahl und so weiter, in Frage zu stellen: Ist das so, wie wir es im Kopf haben oder ist es heute anders, würde ich es heute anders empfinden oder anders darstellen?