Artikel teilen

Sprung-Aufforderung nicht bestätigt

Ramelow kritisiert Verurteilung Ostdeutschlands. Gedenkgottesdienste

Schmölln/Köln – Nach dem Suizid eines jugendlichen Flüchtlings in Schmölln kritisiert der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) eine reflexhafte Verurteilung Ostdeutschlands. Das sei „bitter“, denn die Flüchtlingsarbeit in Thüringen sei sehr vorbildlich, sagte Ramelow im Deutschlandfunk: „Fremdenfeindlichkeit ist kein ostdeutsches Problem, sondern ein weit in Europa verbreitetes Problem.“ Derweil zeigten sich Kirchenvertreter betroffen von dem Suizid. Die Christen im ostthüringischen Schmölln wollten nun ein Zeichen der Mitmenschlichkeit setzen mit einer Gedenkandacht oder einem Friedensgebet, erklärte der evangelische Diakon Christoph Schmidt.
Nach dem Tod des Somaliers hat­ten Berichte über eine mögliche Anstachelung zum Suizid durch Anwohner für Wirbel gesorgt. Die Polizei widersprach Berichten, wonach Schaulustige den Somalier mit Rufen wie „Spring doch“ ermuntert haben sollen. Beamte vor Ort hätten das nicht gehört, so der Schichtleiter Landesein­satzzentrum Erfurt, Stefan Erbse.
Ramelow erläuterte im Deutschlandfunk, die Rufe hätten sich auf den Zeitpunkt bezogen, als die Feuerwehr längst mit dem Sprungtuch da war. Daraus ergebe sich eine andere Logik. Dennoch müsse man jetzt nachfragen, warum der junge Mann wieder in der Wohngruppe war und beenden konnte, was er vorhatte, sagte Ramelow: „Es bleibt eine große Tragik.“ Man habe den Selbstmord eines jungen Mannes nicht verhindern können.
Der Flüchtling war nach Angaben des Landratsamtes wegen psychischer Probleme in Behandlung und erst kurz vorher aus der Klinik entlassen worden. Vor diesem Hintergrund sei inzwi­schen ein „Todesermittlungsverfahren“ aufgenommen worden, berichtete MDR Thüringen mit Verweis auf die Staatsanwaltschaft in Gera.
In Gottesdiensten war des Verstorbenen in Schmölln gedacht worden. Es sei immer tragisch, wenn ein Mensch keinen Ausweg mehr aus einer für ihn hoffnungslosen Lage sehe, egal, ob er schon immer hier in wohne oder er als Flüchtling nach Thüringen gekommen sei, erklärte der evangelische Regionalbischof von Gera, Diethard Kamm. Wichtig sei es jetzt, all jene, die sich in Schmölln vorbildhaft für die Integration der Zufluchtsuchenden einsetzten, zu ermutigen, fügte er hinzu.
Diakon Schmidt zeigte sich vom „Ausmaß der Unmenschlichkeit“ im Zusammenhang mit dem Tod des jungen Mannes entsetzt. Vor allem die Reaktionen in den sozia­len Netzwerken seien „unwürdig“, sagte der kirchliche Sozialarbeiter. So wolle das rechtextreme Bündnis „Thügida“ in Schmölln aufmarschieren. Das diskreditiere die Arbeit mit den Flüchtlingen, die seit zwei Jahrzehnten in der Stadt vorbildhaft laufe, noch zusätzlich, sagte Schmidt. epd