Ein Bündnis aus mehreren Sozialverbänden wehrt sich weiter gegen mögliche Kürzungen der Hilfsangebote für behinderte Menschen in Sachsen-Anhalt. Nach einer ersten Kundgebung am 24. Oktober demonstrierten am Dienstag erneut tausende Menschen in Magdeburg gegen eine Neuregelung der Eingliederungshilfen. Der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (LAG WfbM), Martin Schreiber, sprach auf epd-Anfrage von 4.000 Teilnehmern, die Polizei geht von rund 3.000 Demonstranten aus.
Hintergrund ist die Kündigung des Rahmenvertrages zur Eingliederung von Menschen mit Behinderungen durch Landessozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) im März dieses Jahres. Der Vertrag läuft zum Jahresende aus. Stattdessen plant die Ministerin, die Eingliederungshilfe zunächst per Rechtsverordnung zu regeln. Die LAG fürchtet finanzielle Kürzungen und einen Personalabbau. Zudem verletzte die geplante Rechtsverordnung höherrangiges Recht, etwa das Sozialgesetzbuch (SGB) IX sowie das SGB XII.
Schreiber sagte, es gehe darum, die Rechtsverordnung im Landeskabinett zu verhindern. Beispielsweise sehe die Neuregelung einen schlechteren Personalschlüssel beim ambulant betreuten Wohnen vor. In Behindertenwerkstätten befürchte er einen Personalabbau von 20 bis 25 Prozent.
An der Demonstration beteiligten sich den Angaben zufolge zahlreiche Organisationen, die Wohneinrichtungen für behinderte Menschen vorhalten. Dazu zählen kirchliche Sozialverbände wie Caritas und Diakonie, aber auch die Arbeiterwohlfahrt (Awo) und der Paritätische Wohlfahrtsverband.
Das Sozialministerium wies die Vorwürfe am Dienstag zurück. Mit der Kündigung des Rahmenvertrags solle erreicht werden, dass behinderte Menschen auf dem regulären Arbeitsmarkt erfolgreicher sind. Dazu müssten mehr Alternativen zur Beschäftigung in Behindertenwerkstätten geschaffen werden. „Wir gehen daher weg vom Denken, was eine Einrichtung an Leistungen vorhält, hin zu dem, was der Mensch mit Behinderung in seiner Lebenssituation will und braucht“, sagte Grimm-Benne.
Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen und das Bundesteilhabegesetz würden in Sachsen-Anhalt nur schleppend in der Praxis umgesetzt, erklärte das Sozialministerium. Das Land habe aktuell die höchste Dichte an stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderung und zu wenige ambulante Angebote.
Die LAG sieht allerdings den Ausbau der ambulanten Versorgung für Menschen mit Behinderungen skeptisch. Dazu müsse es etwa ausreichend barrierefreien Wohnraum sowie mehr pflegerische Versorgung geben, hieß es.
Nach Angaben des Sozialministeriums steigen die Kosten der Eingliederungshilfe kontinuierlich, von rund 572 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 711 Millionen im kommenden und 723 Millionen im übernächsten Jahr. Zudem würden die Verhandlungen zum neuen Landesrahmenvertrag über den Jahreswechsel hinaus weitergeführt. Alle bisherigen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen der Einrichtungen und Leistungsanbieter bleiben demnach auch im neuen Jahr weiterhin gültig. Die geplante Rechtsverordnung solle nur übergangsweise gelten, hieß es.