Der katholische Sozialethiker Elmar Nass warnt vor chinesischen Weltmacht-Ideen. Der Westen müsse eigene Visionen entwickeln und dürfe gegenüber China nicht mit erhobenem Zeigefinger arbeiten.
In einem neuen Buch warnt der katholische Sozialethiker Elmar Nass den Westen vor chinesischen Weltmacht-Visionen. “Wir müssen wachsam sein und einen Blick dafür haben, was auf uns zukommt”, sagte Nass im Interview des kirchlichen Kölner Internetportals domradio.de (Freitag). “Wir müssen Strategien entwickeln, wie wir auf diese chinesische Umstrukturierung und Neuordnung der Welt reagieren können.” China sei nicht nur ein politischer Player, sondern versuche auch, die Welt mit eigenen Ideen und Werten grundlegend zu verändern. Nass’ Buch “Der globale Puppenspieler: Die Vision von Xi Jinping und eine Antwort auf die Freiheit” ist am 25. September erschienen.
Es sei wichtig, den Plan des chinesischen Präsidenten Xi Jinping zu verstehen, so Nass. “Er hat die große Vision, dass China die wichtigste Weltmacht wird.” Diese Vision versuche er, etwa durch die Kontrolle von Handelswegen umzusetzen.
Um dem entgegenzuwirken, darf sich der Westen nach Auffassung des Ethikers nicht von China abhängig machen und braucht seinerseits eine Vision. So sei die freiheitliche Demokratie ein großer Schatz – wenn auch fragil. “Wir müssen uns gemeinsam auf unsere demokratischen Werte verständigen und eine gemeinsame Idee von Freiheit, Menschenrechten und Gerechtigkeit entwickeln.”
Die Strategie, China mit der Devise “Wandel durch Handel” näher an den Westen zu bringen, sei gescheitert, sagte Nass. “Es war unsere blauäugige Wunschvorstellung, dass Chinesen zu uns in den Westen kommen, Demokratie und Freiheit kennenlernen und mit diesem Wissen nach China zurückkehren.” Stattdessen lernten chinesische Kader im Ausland und nutzten dieses Wissen dann, um das westliche System zu durchschauen und zu zersetzen.
In China wiederum besteht laut dem Experten eine gemeinsame Identität in der Bevölkerung. Der Regierung sei es gelungen, die alten Traditionen des Landes, den Konfuzianismus und andere Ideen, in das marxistisch-maoistische Weltbild der Partei zu integrieren. Diese Harmonie richte sich auch gegen den Westen: “Wir dürfen nicht vergessen, dass dieser Zusammenhalt Chinas leider auch wegen der Demütigungen, die das Land in der Vergangenheit durch Kolonialmächte erlitten hat, gelingt.”
Im Kontakt zu China müsse sich der Westen auch selbst hinterfragen. Wenn westliche Politiker China die Verletzungen von Menschenrechten vorwerfen, stießen sie auf taube Ohren. Menschenrechte würden im Land der Mitte anders definiert. “Hier braucht es mehr kulturelles Gespür statt erhobene Zeigefinger. Unsere Kritik muss deshalb ansetzen in der Definition der Menschenrechte, aber nicht in Worthülsen, die in China nicht verstanden werden.”