Knapp ein Jahr nach dem Terrorangriff der Hamas droht im Nahen Osten eine weitere Eskalation. Das treibt viele um – mit Blick auf Israel und die Region, aber auch mit Blick auf Deutschland.
Der erste Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel lässt die Sorgen vor weiterer Gewalt im Nahen Osten, aber auch in Deutschland, wachsen. Polizeigewerkschafter befürchten gewalttätige Proteste insbesondere in Berlin und anderen deutschen Großstädten. Die beiden großen Kirchen in Deutschland sorgen sich vor einer Eskalation im Nahen Osten. Diese habe mit dem massiven Raketenbeschuss aus dem Iran auf Israel eine neue Stufe erreicht, so der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Kirsten Fehrs, am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung.
Der Terrorakt vom 7. Oktober 2023 sei “ein beispielloser Angriff auf Israels Bevölkerung und die Sicherheit des Landes” gewesen, “in dessen Folge Israel sein Recht auf Selbstverteidigung geltend machte und mit aller Entschlossenheit reagierte”, betonten Bätzing und Fehrs. So sehr diese Reaktion verständlich und prinzipiell berechtigt gewesen sei, komme man jedoch nicht umhin, festzustellen, “dass die militärische Reaktion Israels und die folgenden Kämpfe im Gazastreifen Zehntausenden palästinensischen Zivilisten den Tod gebracht haben”. Man stehe an der Seite der Menschen in Israel und der Juden weltweit. Zugleich erinnerten der Bischof und die Bischöfin auch an das Leid der Menschen im Westjordanland und im Libanon.
“Wir dürfen uns nicht abfinden mit dem massenhaften Sterben, mit Terrorismus und Gewalt”, mahnten Bätzing und Fehrs. Weiter erklärten sie: “Wir beten dafür, dass alle politische Weisheit und Kraft in politische Lösungen investiert wird, die den Menschen im Nahen Osten ein Leben in Sicherheit und Frieden ermöglichen.” Man hoffe und bete, “dass die Waffen auf allen Seiten zum Schweigen kommen, dass Konflikte ohne Gewalt ausgetragen werden und die Geiseln nach Hause kommen”.
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sagte: “In der gegenwärtigen Lage gilt es, jene Kräfte in der Region zu stärken, die den Glauben an einen dauerhaften Frieden nicht aufgeben.” Israel und Palästina brauchten eine “Politik der Entfeindung” – mit starker Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Humanitäre und politische Arbeit seien wichtig, gerade mit Blick auf eine Nachkriegsordnung in Gaza.
Stetter-Karp erinnerte ebenfalls daran, dass in Deutschland die Zahl antisemitischer Übergriffe nach dem 7. Oktober sprunghaft angestiegen und seitdem “auf einem alarmierend hohen Niveau” sei. “Das dürfen wir nicht hinnehmen”, so die ZdK-Präsidentin. “Ebenso wenig dürfen wir zulassen, dass der Diskurs über die Situation in Israel und Palästina durch polemisch-verzerrte und einseitige Stimmen dominiert wird.”
Aus Sicht des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat der Überfall der Hamas weltweit wie ein Katalysator für Antisemitismus gewirkt. Die Solidarität für Israel sei danach schnell brüchig geworden, sagte Schuster der “Süddeutschen Zeitung” (Freitag): “Bedrückend war, wie schnell Kritik an der Politik der israelischen Regierung fast automatisch übertragen wurde auf Jüdinnen und Juden in Europa.” Rechter, linker und islamistischer Antisemitismus seien alle in gleicher Weise bedrohlich.
Gegen die Eskalation antisemitischer Gewalt hilft nach Schusters Auffassung nur Abschreckung. Hier bestehe ein Defizit, wenn auf eindeutig strafbare Handlungen sehr milde Strafen folgten.