Knapp eine Billion Euro. Um so viel Geld geht es, wenn jetzt darüber gesprochen wird, was Deutschland an Krediten aufnehmen muss, um in den nächsten zehn bis zwölf Jahren die wichtigsten Herausforderungen zu meistern. Tausend Milliarden, eine eins mit zwölf Nullen. Damit könnte zum Beispiel die Evangelische Kirche von Westfalen 2300 Jahre lang ihren Haushalt von etwa 433 Millionen Euro (2025) bezahlen. Also von Christi Geburt an bis jetzt – und 300 Jahre weiter.
500 Milliarden Euro davon sind für Infrastruktur und Klimaschutz vorgesehen. Das ist das eigentliche „Sondervermögen“; es liegt außerhalb des regulären Bundeshaushalts und wird nicht auf die grundgesetzlich verankerte „Schuldenbremse“ angerechnet. Um dies zu erlauben, musste der Bundestag das Grundgesetz ändern (Artikel 143h). 300 Milliarden Euro davon sind für Bundesprojekte vorgesehen (Verkehr, Energie, Digitalisierung, Bildung), 100 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds, 100 Milliarden für Länder und Kommunen.
Grundgesetz-Änderung ermöglicht hohe Kredite
Zusätzlich kommen Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit hinzu, etwa 43 Milliarden Euro pro Jahr. Schulden in dieser Höhe sind auch bisher schon gesetzlich erlaubt, damit wird die Schuldenbremse formal eingehalten. Bei einer Laufzeit von zehn Jahren könnten diese Verteidigungsausgaben weitere 430 Milliarden Euro betragen, was die Gesamtschuldensumme in Richtung einer Billion Euro bringen würde.
Eine Verschuldung in dieser Größenordnung ist ein Tabubruch in Deutschland. Jahrzehntelang galt als Glaubensbekenntnis aller Regierungen: Bloß nicht auf Pump leben. Einflussreiche Politikerinnen und Politiker wie Wolfgang Schäuble, Peer Steinbrück und Angela Merkel standen bereit, um wie der Cherub mit dem Flammenschwert den Zugang ins vermeintliche Paradies der ungezügelten Kreditaufnahme zu verweigern. Warum jetzt also die 180-Grad-Kehrtwende?
USA: Der starke Partner steht nicht mehr an Deutschlands Seite
Man darf das, wie mittlerweile so vieles, dem unberechenbaren Treiben des neuen US-Präsidenten zuschreiben. Schutzzölle, politische Erpressungsversuche, angedrohter Rückzug aus der Nato – mit einem Mal realisieren Europa und Deutschland, dass sie ohne Schutz und Partnerschaft der USA wackelig und schwach dastehen. Wirtschaft, Technologie, Entwicklung; dazu die Bedrohung durch Putin: Deutschland merkt, dass es wie in einem Dornröschenschlaf vor sich hin schlummerte. Eingelullt in der vermeintlichen Sicherheit: Der große Bruder jenseits des Atlantiks wird’s schon richten für uns.
Diese Sicherheiten hat Donald Trump weggepustet wie der Nachbar die Herbstblätter mit dem Laubbläser. Also muss Deutschland jetzt versuchen, jahrzehntelange Versäumnisse nachzubessern. Aus eigener Kraft. Und das auch noch möglichst schnell. Deshalb ist das viele zusätzliche Geld nötig.
Aber das sind Schulden. Die müssen irgendwie, irgendwo, irgendwann zurückgezahlt werden. Wie? Da rauchen jetzt die Köpfe bei Politik und Wirtschaftsfachleuten.
Verschuldung: Zur Gegenfinanzierung könnte ein kirchlicher Feiertag wegfallen
Im Gespräch ist dabei auch, mindestens einen Feiertag zu streichen. Ökonomen, darunter der Präsident des Münchner ifo Instituts, Clemens Fuest, sowie die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, hatten in den vergangenen Tagen dafür plädiert. Durch einen Tag Mehrarbeit kämen acht Milliarden Euro Steuereinnahmen zusammen, so schätzen sie. Außerdem würde die Mehrarbeit der Bevölkerung vermitteln, wie wichtig es wäre, dass sich die gesamte Gesellschaft anstrengen müsse, um die neuen Herausforderungen zu meistern.
Welchen Feiertag könnte es treffen? Da ist man schnell bei den kirchlichen Festtagen. Die Kirchenbindung der Gesellschaft hat nachgelassen. Und selbst kirchentreue Menschen stehen manchen Feiertagen ratlos gegenüber: Karfreitag? Ostermontag? Auch der Pfingstmontag könnte bei den Streichüberlegungen vorn auf der Liste stehen.
Investitionen in die Zukunft: Auch künftige Generationen können beteiligt werden
Lasst das bloß sein, sagt Rudolf Hickel. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler hat sich gegen eine Feiertagsstreichung ausgesprochen. Zum einen sei es verkappter Sozialabbau, die Leute mehr arbeiten zu lassen, so Hickel. Zum anderen sei es fair, Investitionen, die die Zukunft betreffen, nicht nur den heute arbeitenden Menschen aufzubürden, sondern auch künftige Generationen zu beteiligen. Und dies geschähe durch die Aufnahme von Krediten.
Schon einmal sollte eine Mehrbelastung durch die Streichung eines kirchlichen Feiertags finanziert werden. Das war 1995, als zur Finanzierung der Pflegeversicherung der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag abgeschafft wurde (Ausnahme: Sachsen). Die Erfahrungen zeigen: Kurzfristig wurde Geld in die Kassen gespült. Der Effekt verpuffte aber. Die Beiträge mussten trotzdem erhöht werden.