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Weimarer Ausstellung zu Bauhaus und Nationalsozialismus

Die Klassik-Stiftung Weimar zeigt, dass auch Vertreter des avantgardistischen Bauhauses vor den Verstrickungen des NS-Staates nicht immer gefeit waren. Eine Sonderschau.

Das Bauhaus-Museum Weimar
Das Bauhaus-Museum WeimarThüringer Tourismus GmbH / Dominik Saure

Sie steht vor dem Eingang des Schiller-Museums: eine Kopie des Eingangstores zum Häftlingslager Buchenwald bei Weimar. Ihre ebenso zynische wie schnörkellose Inschrift “Jedem das Seine” gestaltete der Bauhaus-Grafikdesigner Franz Ehrlich. Er war im Lager als politischer Gefangener inhaftiert. Laut Hinweisschild wurde ihm der Text vorgegeben. Ob Ehrlich mit der schnörkellosen Schriftform Widerstand gegen die Nazis leistete? Es lässt sich nicht sicher sagen.

Lange Zeit wäre die Antwort wohl zugunsten eines Widerstandsaktes ausgefallen. Moderne Künstler als Verfolgte der Nazis – so will es der Mythos. Doch an diesem Mythos der Unschuld kratzt die Sonderausstellung “Bauhaus und Nationalsozialismus”, die die Klassik-Stiftung Weimar ab Donnerstag in der Goethestadt zeigt. Die neue Botschaft lautet: auch Bauhaus-Designer waren ins “Dritte Reich” verstrickt. Das betont die Präsidentin der Stiftung, Ulrike Lorenz, vor Journalisten in Weimar.

Künstler und ihre “Lebenswege in der Diktatur”

Im Rahmen der Ausstellung, die bis zum 15. September 2024 läuft, werden an drei Orten der Stadt Weimar rund 450 Kunst- und Designobjekte aus Privatsammlungen und Museen in Europa und den Vereinigten Staaten gezeigt. Im Museum Neues Weimar werden unter dem Titel “Politische Kämpfe um das Bauhaus 1919−1933” Konflikte untersucht, die bereits mit der Gründung der Kunstinstitution in Weimar starteten. Im Bauhaus-Museum wird unter der Überschrift “Abgehängt – Beschlagnahmt – Angepasst 1930/1937” die Nazi-Aktion “entartete Kunst” thematisiert.

Das Bauhaus-Museum zeigt einen Teil der Ausstellung
Das Bauhaus-Museum zeigt einen Teil der AusstellungImago / epdbild

Der Hauptteil der Ausstellung ist aber im Schiller-Museum zu sehen. Dort geht es um Bauhaus-Künstler und ihre “Lebenswege in der Diktatur 1933−1945”. Es sind überraschende Dinge, die hier ans Licht treten.

Wer bisher dachte, dass der Erfinder des Bauhauses, Walter Gropius (1883-1969), der ab 1937 im US-amerikanischen Harvard lehrte, ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten war, wird desillusioniert. Zunächst kämpfte Gropius bei den neuen Machthabern um Wohlgefallen. Beim Wettbewerb “Häuser der Arbeit” machte er 1934 mit und war sich auch nicht zu schade, bei der NS-Propagandaausstellung “Deutsches Volk – Deutsche Arbeit” mitzumischen. Ausschlagend für seinen Weg ins Ausland waren finanzielle Gründe.

Bauhaus: Mehr Forschung nach der Ausstellung nötig

Auch eine andere Bauhaus-Ikone, Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969), dem Berlin die Neue Nationalgalerie verdankt, ging nicht sofort bei der Machtübernahme der Nazis auf totale Distanz zur braunen Ideologie. Goebbels’ Aufruf an die Künstler im Jahr 1934, Adolf Hitler zu unterstützen, hat Mies van der Rohe unterzeichnet. Erst 1938 verließ er das “Dritte Reich” in Richtung USA.

Und die anderen? Von den ungefähr 1.400 Studenten und Lehrern, die dem Bauhaus zugeordnet werden können, blieben 900 Studenten in Deutschland. 188 traten in die NSDAP ein, 15 in die SA, 14 in die SS. Linientreue Frauen gab es auch, doch da sie eher in der zweiten Reihe wirkten oder ins Familienleben zurücktraten, sind ihre Spuren oft schwieriger zu entziffern.

Doch, wie Lorenz betont: Was die Ausstellung zeige, sei nur der Anfang. Jetzt gehe es darum, weiterzuforschen. Noch mehr Klarheit in all die verschiedenen Schattierungen der Verstrickung zu bringen. Ein wichtiges und ehrenwertes Anliegen. Allerdings auch ein schmerzvolles.