Die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Solingen beobachtet nach einschneidenden Ereignissen im vergangenen Jahr in der Stadt Anfeindungen gegen Menschen aus Zuwandererfamilien und die Kirche. Migrantische Bekannte von ihr würden „ganz böse angegangen“ für ihr Dasein in Deutschland, sagte Werner am Dienstag dem Radiosender WDR 5. Sie würden plötzlich wieder gefragt, was sie in Deutschland wollten und wann sie wieder gehen würden. Auch die Kirche selbst bekomme Mails mit Schulzuweisungen, etwa wegen ihres Engagements für Seenotrettung von Migranten im Mittelmeer. Ereignisse wie die Brandstiftung an einem Wohnhaus mit vier Toten und der Messeranschlag auf das Stadtfest mit drei Toten sorgten für Spannungen.
Viele Menschen in Solingen stünden unter dem Eindruck dieser schrecklichen Ereignisse aus dem vergangenen Jahr, sagte Werner mit Blick auf ihre Erfahrungen aus der Seelsorge. Einige hätten das Gefühl, dadurch zu viel aufgebürdet zu bekommen. „Wir leben hier mit diesen Erinnerungen und wir versuchen, sie zu gestalten, sodass wir die Opfer nicht vergessen“, sagte die Theologin. Den Angehörigen der Opfer müsse Raum für ihre Trauer gegeben werden.
Im August 2024 hatte ein Mann einen islamistisch motivierten Messeranschlag auf das Fest zum Solinger Stadtjubiläum verübt, dabei drei Menschen getötet und acht verletzt. Im März war bei einem Hausbrand in der Stadt eine vierköpfige Familie aus Bulgarien ums Leben gekommen. Der Prozess gegen einen Tatverdächtigen startete am Dienstag vor dem Wuppertaler Landgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten unter anderem Brandstiftung und Mord vor. Bislang äußerte sich der mutmaßliche Täter nicht zu seinem Motiv. Die Tat hatte Erinnerungen an den rassistischen Anschlag von 1993 geweckt, als vier junge Männer aus der Neonazi-Szene in Solingen das Haus der türkischstämmigen Familie Genç in Brand setzten. Nach Einschätzung der Ermittler gibt es für die Tat im Frühjahr 2024 aber bisher keine Hinweise auf ein rassistisches Motiv.
Werner betonte die Bedeutung von Zusammenhalt. Das sei sowohl zwischen Religionen als auch zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen wichtig, sagte die evangelische Theologin. Der Kirchenkreis setze sich an verschiedenen Stellen dafür ein, etwa mit interreligiösen Gebeten. Zudem gebe es eine christlich-muslimische Initiative, die aktuell im Vorfeld der Bundestagswahl Kandidaten einlade, um gemeinsam zu diskutieren. „Es entsteht schon was über die Grenzen der verschiedenen Communities hinaus, und wir halten das für wichtige Sache“, sagte die Superintendentin.