Die Landessynode verurteilt den russischen Angriffskrieg. Sie richtet einen Flüchtlingsfonds in Höhe von 1,5 Millionen Euro ein, um die Integration von Geflüchteten aus der Ukraine mittelfristig zu unterstützen
Von Constance Bürger und Yvonne Jennerjahn (epd)
Es sind schreckliche Bilder Hunderter getöteter Zivilisten, die aus dem ukrainischen Butscha um die Welt gehen. Nach dem Rückzug russischer Truppen aus dem Kiewer Vorort wurden ihre Leichen entdeckt. Augenzeugen berichten über die gezielte Tötung von Zivilisten durch russische Soldaten. „Die Bilder aus Butscha erschüttern mich“, erklärte Bischof Christian Stäblein am vergangenen Sonntagabend. Und fügte hinzu: „Die Verantwortlichen müssen vor Gericht.“
Diese schockierenden Bilder kannten die Landessynodalen, die am 1. und 2. April in der Bartholomäuskirche in Berlin-Friedrichshain tagten, noch nicht. Aber schon da forderten sie: „Dieser Krieg muss auch völkerstrafrechtlich aufgearbeitet werden, indem Kriegsverbrechen geahndet und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Russland mache sich schwerer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig.
„Kirche mit Geflüchteten“
Auf den Krieg und seine Folgen antworteten die Landessynodalen mit Solidarität und einem Fonds zur Flüchtlingshilfe: „Wir verurteilen als Synode den russischen Angriffskrieg klar“, sagte Präses Harald Geywitz. Bischof Stäblein betonte: „Wir sind Kirche mit Geflüchteten.“ Er ist seit Kurzem auch Flüchtlingsbeauftragter der EKD.
Die Synodalen beschlossen ein „Wort der Landessynode“, in dem sie Russland zum sofortigen Abzug der Truppen auffordern. „Für den brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine gibt es keine Rechtfertigung“, heißt es in dem Beschluss: „Unsere Solidarität gilt dem ukrainischen Volk und seiner frei gewählten Regierung.“
Die Erklärung ist knapp vier Seiten lang. Es wurde angeregt, sie ins Ukrainische übersetzen zu lassen. Sie sei ein Anfang, sagte Friederike Krippner, Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin. Die Synodalen stimmten dem Antrag mit überwältigender Mehrheit zu: Es gab keine Gegenstimme, etwa vier Enthaltungen.
Da die Betreuung und Integration der Geflüchteten keine kurzfristige Aufgabe sei, stellt die Landeskirche Kirchengemeinden, -kreisen und diakonischen Einrichtungen für 2022 und 2023 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Damit sollen die bestehenden Strukturen in der Arbeit mit Geflüchteten aufrecht erhalten und ausgebaut werden. Die Gelder sollen zum Beispiel genutzt werden, um Bildungsangebote zum Spracherwerb zu ermöglichen.
In diesem Jahr sollen zunächst 500000 Euro aus dem Projekt- und Innovationsfonds, der in der Vergangenheit extra für Notfälle angelegt wurde, bereitgestellt werden. Dieser Betrag gehe nicht zu Lasten anderer Projekte, betonte Jan Dreher, Vorsitzender des Haushaltsausschusses.
Thomas Köhler, Superintendent des Kirchenkreises Niederlausitz, schlug vor, den Kirchen in der Ukraine die Hälfte der Gesamtsumme für ihre Arbeit zu geben. Damit könne direkt vor Ort geholfen werden. Die Synodalen lehnten den Antrag ab. Es gebe gute andere Wege, die Arbeit in der Ukraine mit Spenden zu unterstützen, hieß es. Außerdem würden die Mittel dringend für die Unterstützung von Kriegsflüchtlingen benötigt, bekräftigte Diakoniedirektorin Ursula Schoen. Für die Summe von 1,5 Millionen Euro hatte sich Bischof Stäblein in seinem Wort an die Synode ausgesprochen. Die Summe entspreche dem in der Flüchtlingskrise 2015 bereitgestellten Betrag.
Alles andere nebensächlich
In einem gemeinsamen Antrag der Ständigen Ausschüsse Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung sowie Ökumene, Mission und Dialog waren zunächst insgesamt 500 000 Euro vorgesehen. Bei dem Antrag gehe es nicht darum, „dass wir unschuldig bleiben, sondern für die Menschen verantwortlich handeln“, sagt Claudia Ludwig, Vorsitzende des Friedensausschusses. Alle anderen Themen müssen jetzt in den Hintergrund treten, so Präsidiumsmitglied Jürgen Israel.
Die Kirche trage mit ihrem Engagement dazu bei, Menschen auf der Flucht vor Krieg und Elend und in „unvorstellbaren Notlagen“ zu helfen, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) in seiner Eröffnungsrede am vergangenen Freitag. Dafür gebühre ihr großer Dank. Auch Dagmar Pruin, Präsidentin von Diakonie Katastrophenhilfe und „Brot für die Welt“ zeigte sich in ihrem Vortrag am vergangenen Samstag voller Achtung über den kirchlichen Einsatz. Es gebe derzeit eine „unglaubliche Spendenbereitschaft“. Damit könne humanitäre Hilfe auch vor Ort erleichtert werden.
Die Erklärung nimmt auch darauf Bezug, wie die deutsche Bevölkerung mit der Finanzierung des Krieges verwoben ist. Das forderte Kirchenleitungsmitglied Sigrun Neuwerth. Ein veränderter Lebensstil soll ein Beitrag zu einem gerechten Frieden sein, heißt es daher. Dabei sei auch auf einen sozialen Ausgleich der Lasten zu achten, betonte Präses Geywitz. „Solidarität ist in guten Zeiten einfach, in schwierigen Zeiten verlangt sie deutlich mehr“, sagte er in seiner Eröffnungsansprache.
Keine Klassengesellschaft
Solidarisch müsse man sich nun auch für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer einsetzen, heißt es in der Erklärung. Weiterhin gilt es, gegenüber den Geflüchteten aus anderen Ländern Verantwortung zu übernehmen: „Es darf keine Klassengesellschaft des Willkommens geben.“ Das hatte auch Bischof Stäblein betont: „Es gibt nicht Flüchtlinge erster, zweiter und dritter Klasse.“
Stäblein rief außerdem dazu auf, keine Feindseligkeiten gegen russischstämmige Menschen zuzulassen. „Russland und die russischen Menschen gehören zu unserem Europa.“ Völkerrechtswidrige Kriege und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dagegen nicht. Er kritisierte zugleich Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche, die den russischen Angriffskrieg „mit geistlichen Parolen legitimieren und füttern“.