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So dumm ist der Teufel nicht

Gut und Böse sind leicht zu verwechseln. Zum Predigttext am Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres Von Christof Gestrich, emeritierter Professor für Systematische Theologie in Berlin.

Predigttext am Drittletzten Sonntag im Kirchenjahr: Lukas 11,14–23 14 Einmal trieb er einen Dämon aus, der stumm war, und als der Dämon ausgefahren war, redete der Stumme. Da wunderten sich die Leute. 15 Einige von ihnen sagten aber: Durch Beelzebul, den Oberdämon, treibt er die Dämonen aus. 16 Andere hingegen wollten ihn auf die Probe stellen und verlangten von ihm ein Zeichen vom Himmel. 17 Er wusste um ihre Gedanken und sagte zu ihnen: Jede Herrschaft, die sich selbst spaltet, geht zugrunde, und ein Haus stürzt über das andere. 18 So auch der Satan: Wenn er sich selbst spaltet, wie kann seine Herrschaft dann noch bestehen? – denn ihr behauptet ja, dass ich mit Beelzebul die Dämonen austreibe. 19 Wenn ich aber die Dämonen mit Beelzebul austreibe, mit wem treiben dann eure Söhne sie aus? Deshalb werden sie eure Richter sein. 20 Wenn ich aber mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann ist die Herrschaft Gottes schon zu euch gelangt. 21 Solange ein Starker seinen Palast mit Waffengewalt schützen kann, ist sein Besitz ungefährdet. 22 Wenn aber ein Stärkerer ihn überfällt und besiegt, nimmt dieser ihm seine Rüstung weg, auf die vertraute, und verteilt die Beute. 23 Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. (Übersetzung nach Walter Schmithals, Das Evangelium nach Lukas, Zürcher Bibelkommentare TVZ 1980, Seite 133)

Von Christof Gestrich

Soeben hatte Jesus einen Menschen von seiner Unfähigkeit zu sprechen geheilt. Schon wurde ein weiteres Zeichen vom Himmel verlangt: Das sollte beweisen, dass Jesus tatsächlich aus der Kraft Gottes gehandelt hat. Vollbringen doch auch Zauberer magische Wunderheilungen. Konnte es nicht eine List des Teufels gewesen sein, dass er ausnahmsweise seine eigenen Gehilfen, die Dämonen, zurückpfiff, um Jesus für sich selbst zu instrumentalisieren? Jesu Reaktion hierauf geschah nicht ohne Ironie. Die Zeugen der geschehenen Heilung werden auf eine Lücke in ihrem Verstand gestoßen: Habt ihr durchdacht, dass der Teufel nichts Dümmeres tun könnte, als seine eigenen Mitarbeiter bloßzustellen und deren Tätigkeit zu vernichten? Finge der Teufel damit an, spaltete er seine Macht. Er brächte sein Reich zum Einsturz.

Nur eine noch stärkere Macht kann die geschlossen verteidigte Bastion des Bösen einnehmen und das Teufelsheer entwaffnen. Nur mit dem Finger Gottes – das war eine damals stehende Redewendung für Gottes Arm – konnte der in Stummheit gefesselte Patient von seinem Dämon befreit werden. Jesus sagte: Folglich wart ihr soeben Zeugen des Durchbruchs des Gottesreichs.Von dieser entscheidenden Aussage führte es ganz ab, wenn wir bei der – ansonsten völlig richtigen – Einsicht stehenbleiben, dass wir Behinderungen oder psychische Krankheiten heute nicht mehr als dämonische Besessenheit betrachten noch sie mit Exorzismen bekämpfen dürfen. Auch führt die Erinnerung nicht recht weiter, dass noch im 19. Jahrhundert der schwäbische Pfarrer Johann Christoph Blumhardt die Möttlinger Dorfbewohnerin Gottliebin Dittus von einer „Besessenheit“ heilte unter deren Ausruf „Jesus ist Sieger“. Wir müssen auf uns selbst kommen und unsere eigenen Erfahrungen mit dem Bösen – gemäß der Frage Jesu: „Womit treiben denn eure Söhne die Dämonen aus?“

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