Von Andrea von Fournier
Traktorenfest-Gottesdienst, Baustellen-Gottesdienst, Freiluftgottesdienst, sogar ein Solo-Krippenspiel im örtlichen Kulturhaus: In Niemegk gibt es viele Ideen, um mehr Christen für das Gemeindeleben zu gewinnen. Pfarrer Daniel Geißler entwickelt sie. Der beharrliche junge Theologe mit sächsischem Zungenschlag hat sich seinen Optimismus trotz mancher Schlappe erhalten. Seit zwei Jahren lebt er mit Frau und zwei Kindern im Niemegker Pfarrhaus. Der Wurzener beendet gerade den Entsendungsdienst und erwartet seine Anstellung. Auf der Landkarte liegt das 2000-Seelen-Städtchen Niemegk relativ nah am südlichen „Speckgürtel“ Potsdams und Berlins. Doch plagen es die typischen Sorgen der Landgemeinden: „Die Jungen fliegen aus, Zuzug gibt es kaum. „Und auch die Senioren gehen weg“, sagt Daniel Geißler. Denn in Niemegk gebe es kein Seniorenheim, so dass Betagte oder Pflegebedürftige in die Nachbarstädte zögen. Geißlers Pfarrsprengel umfasst die Stadtgemeinde St. Johannis mit 440 Gliedern sowie Groß- und Klein Marzehns (114 Glieder). Als Dauervakanzen betreut er kleine, entfernte Gemeinden, die nach mehreren Strukturreformen wie ein Schlauch südlich von Niemegk liegen: Hohenwerbig (43), Haseloff (42), Grabow (39) und Neuendorf/bei Niemegk (19) – sechs Gemeinden, sieben Orte, sieben Kirchen.
Gemeinde bedeutet Identität
Willkürlich sind die Gemeinden zusammengekommen, beispielsweise wählte man die Autobahn als imaginäre Grenze. Gewachsene Strukturen wurden mehrfach verändert. Auch deshalb kann man nicht tun, was das effektive Wirtschaftlen nahelegen würde: Die Gemeinden zusammenschließen, Synergieeffekte herstellen – ein Kirchenrat, ein Pfarrhaus, eine Kirche, ein Haushalt. Denn so klein die Gemeinden sind, ihre Selbstständigkeit gilt für sie als nicht antastbar. „Es ist ihre Identität. Die Gemeinde, die Kirche gibt es schon, so lange sich alle erinnern können“, sagt Geißler. Wenn nur zwei, drei Leute am Gottesdienst teilnehmen, habe er manchmal das Gefühl, sie wären nur anwesend, damit der Pfarrer nicht umsonst kommt: Dass dort noch Gottesdienste stattfinden, ist ihnen wichtig. Das Verschwinden des Ortsnamens bei Fusion, die Einschränkung der Stimmenhoheit im gemeinsamen Kirchenrat, eine funktionslose Kirche – und natürlich ein gemeinsames Finanzsäckel: Das schreckt auch kleine Gemeinden, denen es schwer fällt, genügend Freiwillige für alle Aufgaben zu finden.