Daniela Möller fährt mit ihrem Rollstuhl über einen Steg an der Hamburger Außenalster. Sie hat Multiple Sklerose, seit 16 Jahren sitzt sie im Rollstuhl. Sich frei bewegen zu können, ist für sie eine Sehnsucht. Vor zwei Jahren fing sie an zu segeln. Von ihrem Handicap ließ sie sich dabei nicht aufhalten.
„Als ich nach Hamburg gezogen bin, bin ich immer um die Alster gefahren und habe gedacht: auf dem Wasser zu segeln muss toll sein, das will ich auch machen.“ Und Daniela hatte Glück. Der Verein „Wir sind Wir – Inclusion in Sailing“ bietet zusammen mit dem Norddeutschen Regattaverein inklusive Segelkurse an. Für Menschen im Rollstuhl gibt es Spezialboote mit eingebauten Sitzschalen.
Inklusives Segeln ist immer anders
Acht Frauen auf drei Booten sind an diesem Nachmittag beim inklusiven Segeltraining auf der Hamburger Außenalster dabei. Eine von ihnen ist sehbehindert, zwei sitzen im Rollstuhl, einige kommen aus der Krebstherapie. Auf dem Wasser merkt man von den Einschränkungen kaum etwas. Trainer Calle Sibbert ist zufrieden. „Die Mädels sind gut drauf. Wir kommen jetzt gleich an den Wind, bisher war es etwas ruhiger. Denkt dran, das Segel straff zu halten“, gibt er Anweisungen an die Frauen in seinem Boot.
Der 55-jährige ist Freiberufler und bietet schon seit gut zehn Jahren Segelkurse für Menschen mit Behinderungen an. „Es gibt nicht den typischen Kurs. Inklusives Segeln ist immer anders. Blinde brauchen eine andere Betreuung als Menschen im Rollstuhl“, sagt er. Dabei seien gerade Sehbehinderte oft gute Segler, können die Veränderungen von Wind und Wasser besser spüren als Sehende.
In jedem der drei Boote fährt ein Trainer oder eine Trainerin mit. Bei Rollstuhlfahrerin Daniela ist Nadine Löschke die Übungsleiterin. Auch sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Durch eine Zyste am Rücken kann sie ihre Beine nicht selbst kontrollieren. Im vergangenen Jahr gewann Nadine mit ihrer Partnerin die Weltmeisterschaft im Inklusiven Segeln. „Das ist im Prinzip alles, wie auf anderen Booten bei uns. Man kann alles machen, wenden, halsen, wir wechseln nur nicht die Seite. Aber ansonsten sind unsere Boote da echt Standard.“
Mit viel Elan und Lebensmut
Inklusives Segeln gibt es nicht nur in Hamburg. Auch in Kiel, Rostock und Schwerin haben Segelclubs investiert und bieten Trainings und Teams für Menschen mit und ohne Einschränkungen gemeinsam an. Unterstützung bekommen die regionalen Sportvereine von „Wir sind Wir – Inclusion in Sailing“. Sven Jürgensen ist dort zweiter Vorsitzender. „Wir möchten im Prinzip jeden und jede, die Lust hat segeln zu gehen, mitnehmen. Und ob der Mensch dann Regatta segelt oder nur entspannt abends mal über die Alster schippert, das kann jeder für sich entscheiden“, erklärt der ehemalige Marathonläufer die Idee.
Die Organisation betreut Seglerinnen und Segler in ganz Norddeutschland. Eine Aufgabe, die das Team auch emotional berührt. „Es ist fantastisch zu sehen, mit welchem Lebensmut und welchem Elan die Leute ihre Handicaps und ihr Schicksal annehmen“, berichtet Sven Jürgensen. Für die Frauen beim aktuellen Kurs in Hamburg stehen insgesamt acht Trainingseinheiten auf dem Programm. Ein Schritt in Richtung mehr Lebensfreude und Freiheit, ungeachtet aller Handicaps.