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Sechs Kantaten zum Lobe Gottes

Das „Weihnachtsoratorium“ gehört für viele – und nicht nur für Christen – zum Fest der Geburt Jesu dazu und ist ein alljährliches musikalisches Ritual. Das vielleicht populärste Werk Johann Sebastian Bachs (1685-1750) füllt in der Advents- und Weihnachtszeit Kirchen und Konzertsäle. In „Bach – ein Weihnachtswunder“ erzählt Regisseur Florian Baxmeyer eine fiktive Geschichte um die Entstehung der sechs weihnachtlichen Kantaten: So könnte es gewesen sein. Am 18. Dezember ist der historische Familienfilm im Ersten zu sehen; ab 13. Dezember steht er in der Mediathek.

Vor dem Weihnachtsfest 1734 kommt im verschneiten Leipzig, wo Bach (Devid Striesow) als Thomaskantor, Lehrer und Organist wirkt, die große Familie des Komponisten zusammen: Die Kinder Elisabeth und Gottfried freuen sich über die Ankunft ihrer erwachsenen Halbbrüder Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel, die selbst als Musiker unterwegs sind. Doch kommen schnell Spannungen auf. Während Bach seinen älteren Sohn Friedemann sehr schätzt, verweigert er Emanuel (Ludwig Simon, im wirklichen Leben der Sohn von Striesow und Maria Simon) brüsk jede Anerkennung. Bachs zweite Frau, die Sängerin Anna Magdalena (Verena Altenberger), die ihren Mann rückhaltlos unterstützt, trauert um sieben verstorbene Kinder.

Bach zieht sich in sein Arbeitszimmer zurück, doch es herrscht alles andere als Ruhe: Das „Weihnachtsoratorium“ muss fertig werden, von Hand kopierte Notenblätter hängen zum Trocknen der Tinte auf der Leine. Die Familie hat der Komponist, der über die Grenzen Leipzigs hinaus als „schwierig“ gilt, zur Realisierung des großen Werks vollständig eingespannt: Alle schreiben Noten ab, die Söhne ergänzen ganze Stimmlagen. Es soll ein großes Werk zum Lobe Gottes werden.

Was die Arbeitsatmosphäre aber zum Zerreißen anspannt: Ratsherren und Kirchenobere lehnen Bachs Musik als „opernhaft“ ab und wollen nur Lieder zum Mitsingen; die Aufführung des neuen Werks droht zu kippen.

Auf historische Quellen konnten sich Regisseur Florian Baxmeyer und Drehbuchautor Christian Schnalke bei diesem Plot kaum stützen. Es gibt laut Musikhistorikern nur sehr wenige Briefe und Dokumente, die über Bachs Arbeit und seine Familie Auskunft geben. Für Regisseur und Autor war aber angesichts der großen und musikalischen Familie klar, dass es um dieses familiäre Beziehungsnetz gehen sollte: das Verhältnis der Eheleute zueinander, das Trauma vom Tod ihrer Kinder, das Familienleben im Hause Bach. Beraten hat die Filmemacher dabei der deutsche Musikwissenschaftler und Kritiker Bernhard Schrammek.

Der Hintergrund des Films ist historisch verbürgt: Bach hatte sein Amt als Leipziger Thomaskantor 1723 voller Enthusiasmus angetreten und binnen weniger Jahre rund 150 Kantaten für den Gottesdienst komponiert. Von Kritik und Vorgaben der Leipziger Ratsherren war er jedoch bald zermürbt und um 1730 drauf und dran, Leipzig zu verlassen. Mit dem „Weihnachtsoratorium“ schuf er dennoch ein weiteres herausragendes Werk für den Gottesdienst in Leipzigs Hauptkirchen und setzte alles daran, es zu vollenden.

Als im Film der sensible zehnjährige Gottfried die Konflikte nicht mehr aushält und spurlos verschwindet, begeben sich alle auf die Suche. Es ist diese Situation, in der sich schließlich ein „Weihnachtswunder“ ereignen kann. Ein zweites passiert kurz darauf mit der bewegenden Aufführung der Kantaten in der Thomaskirche.

„Bach vermag mit seiner Musik Angst, Verzweiflung, Sehnsucht, Zuversicht und Freude hervorzurufen“, erklären die Produzenten der Filmgesellschaft Eikon, Ernst Ludwig Ganzert und Mario Krebs, die auch den Film „Katharina Luther“ produziert haben: „Vielleicht ist das das Geheimnis, warum sein ‘Weihnachtsoratorium’ inzwischen den Kirchenraum verlassen hat und als fester Bestandteil des Konzertbetriebs auch Menschen berührt, die keine religiöse Bindung mehr haben.“