Musicals mit riesigen Chören sind ihre Spezialität: Nach „Die Zehn Gebote“ (2010) und „Luther“ (2016) kommt kurz vor Weihnachten ein neues Werk von Musikproduzent und Komponist Dieter Falk und Librettist Michael Kunze auf die Bühne. „Bethlehem“ erzählt die Überlieferung von der Geburt Jesu in einer modernen Inszenierung aus Gospel und Weihnachtsliedern neu. Produzent Falk äußert sich im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) über die Botschaften des Musicals, aktuelle Bezüge und die Bedeutung des Großprojekts mit mehr als 3.000 Sängerinnen und Sängern aus Laienchören, die am Sonntag in Essen erstmals gemeinsam probten.
epd: Sie wollen mit diesem weihnachtlichen Musical nicht nur Emotionen wecken, sondern auch das Denken anregen. Wie?
Dieter Falk: Das Nachdenken über Weihnachten, über seinen Sinn, ist angesichts der Kommerzialisierung dieses Festes einfach notwendig. Und die Bezüge zur Gegenwart liegen auf der Hand: Flüchtlingselend, brutale Gewalt eines menschenverachtenden Herrschers wie Herodes und manches mehr. Es liegt im Ermessen jedes Einzelnen, solche Bezüge herzustellen. Das heutige Bethlehem, ein heiliger Ort für Juden, Christen und Muslime, ist Schauplatz von politischem Streit und Gewalt. Darüber kann und soll jeder Zuhörer ins Nachdenken kommen.
epd: Sie wollen dem Publikum über alle religiösen Grenzen hinweg etwas von der Kraft der Weihnachtsgeschichte mitgeben. Nicht nur Christen sollen im neugeborenen Jesus das Gotteskind sehen, das die Menschheit erlöst. Warum nicht nur Christen?
Falk: Jede Familie, die ein Kind kriegt, wird ganz viele Hoffnungen und Wünsche in dieses Kind setzen. Wenn ein Kind geboren wird, ist immer die Hoffnung da: Du sollst es einmal besser haben. Deshalb ist eigentlich jedes Kind ein Gotteskind – auch wenn das nicht allen bewusst ist. Das ist die Hoffnung: Das Leben gewinnt mit jedem Kind.
epd: Dennoch: Das Geheimnis der Menschwerdung Gottes ist ein urchristliches Thema. Nichtchristen können damit vielleicht nichts anfangen.
Falk: Ja, das ist das schwierigste Thema des Ganzen, schwierig in Worte zu fassen. Ich denke da an den Song „One of us“ von Joan Osborne, dessen Titelzeile lautet: „What If God Was One of Us?“ (Was, wenn Gott einer von uns wäre?) Wie kann es sein, dass ein Gott sich auf unser Level runterlässt? Das ist eigentlich verrückt. Der Gedanke, Jesus verhält sich auch menschlich, ist grandios, auch wenn jemand nicht fromm ist. Michael Kunze hat das in unserem Lied „Wenn Gott ein Mensch ist“ wunderbar in Worte gefasst.
epd: Mit dem Musical wollen Sie Hoffnung vermitteln. Aber Friede auf Erden gab es damals so wenig wie heute. Was sagen Sie zu dem Einwand, dass sich die Menschheitsgeschichte seit 2.000 Jahren keineswegs zum Guten verändert hat?
Falk: Das ist so. Umso wichtiger: Alle, die willens sind, Friede auf Erden zu leben, sollen Mut und Hoffnung bekommen. Ich sehe es als meine Aufgabe als Künstler an, das, was nicht da ist, anzumahnen. Was können wir mit unseren beschränkten Mitteln bewirken? Der Schrei nach Frieden ist eine der Botschaften, die in diesem Stück drinstecken. Und ich glaube, das Publikum wird genau auf solche Verbindungen kommen – wenn ich heute unsere mitwirkenden Chöre besuche, bekomme ich das gespiegelt.
epd: Ihr großes Vorbild ist Johann Sebastian Bach. Wie kommt das in „Bethlehem“ zum Ausdruck?
Falk: Zum einen gibt es Zitate von Chorsätzen, etwa „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Zum andern kommentiert der Chor das Geschehen, wie in Bachs Oratorien, wo der Chor als Gemeinde in den Chorälen die Handlung reflektiert und kommentiert. Das ist auch in unserem Musical eine große Aufgabe des Chors.
epd: Nach der Pandemie kommen Sie nun nach längerer Pause mit einem neuen Musical heraus. Wie stark hat der Chorgesang durch Corona gelitten?
Falk: Unser neues Stück ist auch ein Hoffnungszeichen, dass die Chorszene lebt. Wir wissen, dass sich manche Chöre durch Corona halbiert hatten. Wir freuen uns, dass wir jetzt, anders als befürchtet, nicht weniger Sängerinnen und Sänger als vorher haben, sondern mehr.