Der Film „Der verlorene Sohn“ erzählt vom Schicksal eines homosexuellen Mannes. Freiwillig begibt er sich in Therapie,die ihn von seiner sexuellen Neigung heilen soll. Künftig soll so etwas in Deutschland verboten werden
Von Friederike Höhn
Seit vergangener Woche läuft der Film „Der verlorene Sohn“ in den deutschen Kinos. Er handelt von Jared, dem jugendlichen Sohn eines Baptistenpredigers in den USA, der feststellt: Ich bin schwul. Und sich daraufhin, ermutigt von seinen strenggläubigen Eltern, in eine christliche Therapieeinrichtung begibt, um diese Neigungen abzulegen.„Ich habe mich im Film ziemlich oft wiedererkannt“, sagt Bastian Melcher. Der Anfang 30-Jährige hat wie Jared gehofft, von seiner Homosexualität geheilt werden zu können und viele Jahre verschiedene christliche Konversionstherapien mitgemacht. Als Konversions- oder Reparativtherapien werden Maßnahmen bezeichnet, die zum Ziel haben, Menschen mit homosexuellen Neigungen diese abzugewöhnen und heterosexuelle Vorlieben zu entwickeln.
Seit vielen Jahren wird für ein Verbot gekämpftVon seinen eigenen Erfahrungen erzählte Bastian Melcher in der vergangenen Woche öffentlich bei einer Vorabsichtung von „Der verlorene Sohn“ mit anschließender Diskussionsrunde in einem Kino am Potsdamer Platz in Berlin. Anlass für diese Veranstaltung gab es neben der Filmpremiere genug: Schon seit vielen Jahren fordern Aktivist*innen ein Verbot von solchen Konversionstherapien, die Heilung von Homosexualität versprechen. Auf der Plattform change.org läuft seit mehreren Monaten eine Petition zum Verbot von Konversionstherapie, die mittlerweile über 80000 Menschen unterschrieben haben. Das EU-Parlament hat bereits im März 2018 mit einer Mehrheit von 435 zu 109 Stimmen ein gesetzliches Verbot befürwortet. Und wenige Tage vor der Veranstaltung hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einem Interview mit der „taz“ ein gesetzliches Verbot in Deutschland angekündigt. „Ich sage immer, der liebe Gott wird sich was dabei gedacht haben“, sagte Spahn. Gemeinsam mit Justizministerin Katarina Barley (SPD), die sich in einer Videobotschaft nach dem Film klar für ein Verbot aussprach, werde er noch vor dem Sommer einen Gesetzentwurf erarbeiten. Dieser solle möglichst weit gefasst werden und insbesondere Jugendliche schützen. Die Grünen im Bundestag haben am vergangenen Mittwoch bereits einen „Entwurf eines Gesetzes zur Ahndung von Behandlungen mit dem Ziel der Änderung der sexuellen Orientierung bei Minderjährigen“ in das Parlament eingebracht. Darin werden Strafen von bis zu 2500 Euro im Sinne einer Ordnungswidrigkeit vorgeschlagen.Junge Menschen sind es überwiegend – im Film wie im echten Leben – die in der Phase der sexuellen Orientierung bei solchen Angeboten landen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bei der Mehrzahl der so therapierten Personen Ängste, soziale Isolation, Depressionen oder Selbsttötungen auftreten.
Homosexualität ist keine KrankheitDaher warnen Mediziner*innen wie Lieselotte Mahler vor solchen Behandlungen. Die Oberärztin für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité forderte bei der Veranstaltung ein Verbot. „Das ist auch ein politisches Signal, denn Homosexualität ist keine Krankheit“, sagt sie. Seit 1992 wird Homosexualität weltweit nicht mehr als psychische Störung und Krankheitsbild anerkannt. Und ist damit auch nicht medizinisch therapierbar. Jedoch gibt es derzeit noch die Diagnose „ichdystone Sexualität“, berichtet Mahler, also den Wunsch, eine andere als die vorhandene eigene sexuelle Orientierung zu haben. Insofern sind solche vermeintlichen Heilungsverfahren durch diese Hintertür derzeit noch legal. Wie Jared im Film, wuchs auch Bastian Melcher in einem christlichen Umfeld auf, war aktiv in der Kinder- und Jugendarbeit seiner Gemeinde im Raum Bremen. In diesem Umfeld hätte er seiner Ansicht nach nicht als Homosexueller leben können. „Die Kirche war mein Leben“, sagt er. Deshalb entschloss er sich freiwillig zur Therapie.Anders als im Film ging Bastian Melcher nicht in ein besonderes Therapiezentrum und auch die im Film dargestellten Methoden – unter anderem die Dämonenaustreibung mittels Schläge mit einer Bibel – waren andere. Seine Therapie fand in Gruppen- und Einzelgesprächen statt, in mehrstündigen Kursen, in Kirchengemeinden. Insgesamt acht Jahre lang habe er immer wieder versucht, „geheilt“ zu werden, erzählt er. Durch Gebete und Gottvertrauen werde er sich ändern könne, so das Versprechen. Doch stattdessen habe er sich selbst gehasst. In Deutschland bieten im kirchlichen Raum insbesondere evangelikal orientierte Organisationen wie „Wüstenstrom“, „Offensive Junger Christen“ oder die „Gesellschaft für Lebensorientierung“ solche Kurse an, wie der Journalist Markus Kowalski schreibt. Er recherchiert seit vielen Jahren zu diesem Thema und moderierte auch die Diskussionsrunde. Die Teilnehmenden forderten von der Politik neben einem klaren Verbot auch die Intensivierung der Aufklärungsarbeit. Die Dunkelziffer sei hoch. Auch die Kirchen und Freikirchen sollten in dieser Hinsicht strenger kontrolliert werden, sagt Bastian Melcher. „Gerade in freien Kirchen fühlt sich jeder dazu berufen, ein Hobbypsychologe zu sein oder bezeichnen sich als Seelsorger ohne jede medizinische, psychologische oder theologische Ausbildung. Und das ist gefährlich.“